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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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ich keinerlei Trieb dazu fühlte, theils um keinen
Mitschuldigen sich Einzeln entfernen zu lassen.
Es war ein furchtbarer Lärm im Innern, die
Knaben waren ganz berauscht von ihrer eigenen
Aufregung; der Gesuchte lag krank in einem ver¬
schlossenen Zimmer, die Frauen waren bemüht,
die übrigen Thüren zu verschließen und sahen sich
aus den Fenstern nach Hülfe um. Doch schäm¬
ten sie sich zu rufen, die Nachbaren wußten nicht,
was Alles zu bedeuten hätte und sahen höchst
verwundert zu, ich blieb mit nichts weniger als
heiteren Gedanken auf meinem Posten. Das
Haus war von unten bis oben angefüllt, die
Lärmenden erschienen unter den Dachlucken, war¬
fen alte Körbe heraus und stiegen sogar auf das
Dach, die Luft mit ihrem Geschrei erfüllend. Ein
altes Weib drang endlich beherzt aus einem Käm¬
merchen und trieb, geschützt durch Alter und Ge¬
schlecht, den ganzen Schwarm mit einem Besen
allmälig aus dem Hause.

Dies Attentat war denn doch zu auffällig
gewesen, als daß die oberen Behörden nicht end¬
lich aufmerksam wurden. Sie verlangten eine

ich keinerlei Trieb dazu fuͤhlte, theils um keinen
Mitſchuldigen ſich Einzeln entfernen zu laſſen.
Es war ein furchtbarer Laͤrm im Innern, die
Knaben waren ganz berauſcht von ihrer eigenen
Aufregung; der Geſuchte lag krank in einem ver¬
ſchloſſenen Zimmer, die Frauen waren bemuͤht,
die uͤbrigen Thuͤren zu verſchließen und ſahen ſich
aus den Fenſtern nach Huͤlfe um. Doch ſchaͤm¬
ten ſie ſich zu rufen, die Nachbaren wußten nicht,
was Alles zu bedeuten haͤtte und ſahen hoͤchſt
verwundert zu, ich blieb mit nichts weniger als
heiteren Gedanken auf meinem Poſten. Das
Haus war von unten bis oben angefuͤllt, die
Laͤrmenden erſchienen unter den Dachlucken, war¬
fen alte Koͤrbe heraus und ſtiegen ſogar auf das
Dach, die Luft mit ihrem Geſchrei erfuͤllend. Ein
altes Weib drang endlich beherzt aus einem Kaͤm¬
merchen und trieb, geſchuͤtzt durch Alter und Ge¬
ſchlecht, den ganzen Schwarm mit einem Beſen
allmaͤlig aus dem Hauſe.

Dies Attentat war denn doch zu auffaͤllig
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lich aufmerkſam wurden. Sie verlangten eine

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[379/0393] ich keinerlei Trieb dazu fuͤhlte, theils um keinen Mitſchuldigen ſich Einzeln entfernen zu laſſen. Es war ein furchtbarer Laͤrm im Innern, die Knaben waren ganz berauſcht von ihrer eigenen Aufregung; der Geſuchte lag krank in einem ver¬ ſchloſſenen Zimmer, die Frauen waren bemuͤht, die uͤbrigen Thuͤren zu verſchließen und ſahen ſich aus den Fenſtern nach Huͤlfe um. Doch ſchaͤm¬ ten ſie ſich zu rufen, die Nachbaren wußten nicht, was Alles zu bedeuten haͤtte und ſahen hoͤchſt verwundert zu, ich blieb mit nichts weniger als heiteren Gedanken auf meinem Poſten. Das Haus war von unten bis oben angefuͤllt, die Laͤrmenden erſchienen unter den Dachlucken, war¬ fen alte Koͤrbe heraus und ſtiegen ſogar auf das Dach, die Luft mit ihrem Geſchrei erfuͤllend. Ein altes Weib drang endlich beherzt aus einem Kaͤm¬ merchen und trieb, geſchuͤtzt durch Alter und Ge¬ ſchlecht, den ganzen Schwarm mit einem Beſen allmaͤlig aus dem Hauſe. Dies Attentat war denn doch zu auffaͤllig geweſen, als daß die oberen Behoͤrden nicht end¬ lich aufmerkſam wurden. Sie verlangten eine

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/393>, abgerufen am 22.11.2024.