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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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die neue radikale Regierung einige alte Thürme
und Mauerlöcher vertilgt hatte, welche Gegenstand
unserer besonderen Zuneigung gewesen, und daß
sie aus verhaßten Landleuten und Emporkömm¬
lingen bestand.

Gleich beim Beginne der neuen Schulen, als
der ungeschickte Lehrer seine Thätigkeit mit vieler
Gemüthlichkeit antrat, brachte ein Schüler, der
Sohn eines fanatischen Stadtbürgers, mit wich¬
tigen Worten die Nachricht unter uns, wie der
Lehrer geschworen hätte, uns Aristokratenkinder mit
eiserner Ruthe zu bändigen. Er war nämlich in
einer Gesellschaft aufmerksam gemacht worden, wie
er es theilweise mit einer durch altes Herkommen
übermüthigen und ausgelassenen Stadtjugend zu
thun haben würde, worauf er antwortete, er
werde mit den Bürschlein schon fertig zu werden
wissen. Auf obige Weise dargestellt, wurde diese
Rede nun, wahrscheinlich nicht ohne Zuthun der
Alten, unter unsere verstandlose Masse geworfen
und sie begann sogleich zu wirken. Wir nahmen
den Handschuh auf, die Verwegensten eröffneten
einen geordneten Widerstand und ein leichtes Ge¬

die neue radikale Regierung einige alte Thuͤrme
und Mauerloͤcher vertilgt hatte, welche Gegenſtand
unſerer beſonderen Zuneigung geweſen, und daß
ſie aus verhaßten Landleuten und Emporkoͤmm¬
lingen beſtand.

Gleich beim Beginne der neuen Schulen, als
der ungeſchickte Lehrer ſeine Thaͤtigkeit mit vieler
Gemuͤthlichkeit antrat, brachte ein Schuͤler, der
Sohn eines fanatiſchen Stadtbuͤrgers, mit wich¬
tigen Worten die Nachricht unter uns, wie der
Lehrer geſchworen haͤtte, uns Ariſtokratenkinder mit
eiſerner Ruthe zu baͤndigen. Er war naͤmlich in
einer Geſellſchaft aufmerkſam gemacht worden, wie
er es theilweiſe mit einer durch altes Herkommen
uͤbermuͤthigen und ausgelaſſenen Stadtjugend zu
thun haben wuͤrde, worauf er antwortete, er
werde mit den Buͤrſchlein ſchon fertig zu werden
wiſſen. Auf obige Weiſe dargeſtellt, wurde dieſe
Rede nun, wahrſcheinlich nicht ohne Zuthun der
Alten, unter unſere verſtandloſe Maſſe geworfen
und ſie begann ſogleich zu wirken. Wir nahmen
den Handſchuh auf, die Verwegenſten eroͤffneten
einen geordneten Widerſtand und ein leichtes Ge¬

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[370/0384] die neue radikale Regierung einige alte Thuͤrme und Mauerloͤcher vertilgt hatte, welche Gegenſtand unſerer beſonderen Zuneigung geweſen, und daß ſie aus verhaßten Landleuten und Emporkoͤmm¬ lingen beſtand. Gleich beim Beginne der neuen Schulen, als der ungeſchickte Lehrer ſeine Thaͤtigkeit mit vieler Gemuͤthlichkeit antrat, brachte ein Schuͤler, der Sohn eines fanatiſchen Stadtbuͤrgers, mit wich¬ tigen Worten die Nachricht unter uns, wie der Lehrer geſchworen haͤtte, uns Ariſtokratenkinder mit eiſerner Ruthe zu baͤndigen. Er war naͤmlich in einer Geſellſchaft aufmerkſam gemacht worden, wie er es theilweiſe mit einer durch altes Herkommen uͤbermuͤthigen und ausgelaſſenen Stadtjugend zu thun haben wuͤrde, worauf er antwortete, er werde mit den Buͤrſchlein ſchon fertig zu werden wiſſen. Auf obige Weiſe dargeſtellt, wurde dieſe Rede nun, wahrſcheinlich nicht ohne Zuthun der Alten, unter unſere verſtandloſe Maſſe geworfen und ſie begann ſogleich zu wirken. Wir nahmen den Handſchuh auf, die Verwegenſten eroͤffneten einen geordneten Widerſtand und ein leichtes Ge¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/384>, abgerufen am 25.11.2024.