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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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schiedener Zungen, worauf ich mich freute und
welche ich ganz zu benutzen mir vornahm. Allein
zwischen der Zukunft und der Gegenwart lag
noch eine tiefe und breite Kluft.

Es lehrte an unserer Schule ein Mann,
welcher mit wahrer Herzensgüte und ehrlichem
Sinne eine große Unerfahrenheit, mit der Jugend
umzugehen, und ein schwächliches und seltsames
Aeußeres verband. Er hatte in dem Kampfe,
welcher den Umschwung der Dinge und beson¬
ders das erneute Schulwesen herbeiführte, tapfer
mitgewirkt und war in der konservativen Stadt
als ein leidenschaftlicher Liberaler verschrieen.
Wir Knaben waren allzumal gute Aristokraten,
mit Ausnahme derer, die vom Lande kamen.
Auch ich, obgleich meines Ursprunges halber auch
ein Landmann, aber in der alten Stadt geboren,
heulte mit den Wölfen und dünkte mich in kin¬
dischem Unverstande glücklich, auch ein städtischer
Aristokrat zu heißen. Meine Mutter politisirte
nicht und sonst hatte ich kein nahestehendes Vor¬
bild, welches meine unmaßgeblichen Meinungen
hätte bestimmen können. Ich wußte nur, daß

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ſchiedener Zungen, worauf ich mich freute und
welche ich ganz zu benutzen mir vornahm. Allein
zwiſchen der Zukunft und der Gegenwart lag
noch eine tiefe und breite Kluft.

Es lehrte an unſerer Schule ein Mann,
welcher mit wahrer Herzensguͤte und ehrlichem
Sinne eine große Unerfahrenheit, mit der Jugend
umzugehen, und ein ſchwaͤchliches und ſeltſames
Aeußeres verband. Er hatte in dem Kampfe,
welcher den Umſchwung der Dinge und beſon¬
ders das erneute Schulweſen herbeifuͤhrte, tapfer
mitgewirkt und war in der konſervativen Stadt
als ein leidenſchaftlicher Liberaler verſchrieen.
Wir Knaben waren allzumal gute Ariſtokraten,
mit Ausnahme derer, die vom Lande kamen.
Auch ich, obgleich meines Urſprunges halber auch
ein Landmann, aber in der alten Stadt geboren,
heulte mit den Woͤlfen und duͤnkte mich in kin¬
diſchem Unverſtande gluͤcklich, auch ein ſtaͤdtiſcher
Ariſtokrat zu heißen. Meine Mutter politiſirte
nicht und ſonſt hatte ich kein naheſtehendes Vor¬
bild, welches meine unmaßgeblichen Meinungen
haͤtte beſtimmen koͤnnen. Ich wußte nur, daß

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[369/0383] ſchiedener Zungen, worauf ich mich freute und welche ich ganz zu benutzen mir vornahm. Allein zwiſchen der Zukunft und der Gegenwart lag noch eine tiefe und breite Kluft. Es lehrte an unſerer Schule ein Mann, welcher mit wahrer Herzensguͤte und ehrlichem Sinne eine große Unerfahrenheit, mit der Jugend umzugehen, und ein ſchwaͤchliches und ſeltſames Aeußeres verband. Er hatte in dem Kampfe, welcher den Umſchwung der Dinge und beſon¬ ders das erneute Schulweſen herbeifuͤhrte, tapfer mitgewirkt und war in der konſervativen Stadt als ein leidenſchaftlicher Liberaler verſchrieen. Wir Knaben waren allzumal gute Ariſtokraten, mit Ausnahme derer, die vom Lande kamen. Auch ich, obgleich meines Urſprunges halber auch ein Landmann, aber in der alten Stadt geboren, heulte mit den Woͤlfen und duͤnkte mich in kin¬ diſchem Unverſtande gluͤcklich, auch ein ſtaͤdtiſcher Ariſtokrat zu heißen. Meine Mutter politiſirte nicht und ſonſt hatte ich kein naheſtehendes Vor¬ bild, welches meine unmaßgeblichen Meinungen haͤtte beſtimmen koͤnnen. Ich wußte nur, daß l. 24

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/383>, abgerufen am 25.11.2024.