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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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packt hatte, um die zwölf schönen neuen Hemden
zu schonen, welche sie jetzt hinein legte.

"Trage doch recht Sorge für Deine Hemden,"
sagte sie, "ich habe das Tuch selbst gesponnen;
siehst Du, diese sechs sind fein und schön, sie
stammen aus meinen jüngeren Jahren, diese sechs
hingegen sind schon gröber, meine Augen sind
eben nicht mehr so scharf. Alle aber sind schnee¬
weiß, und wenn Du auch, während sie noch gut
sind, feinere Kleider anschaffen könntest, so darfst
Du doch meine Wäsche dazu tragen, weil es an¬
ständige und ehrbare Leinwand ist. Wechsle recht
gleichmäßig ab, wenn Du sie der Wäscherin gibst,
damit nicht ein Theil zu viel gebraucht wird, und
verfasse immer einen genauen Waschzettel. Und
daß Du mir nur das Weißzeug und dergleichen
mehr estimirst, als bisher, und nichts verzettelst!
Denn bedenke, daß Du von nun an für jedes
Fetzchen, das Dir abgeht, baares Geld in die
Hand nehmen mußt und es doch nicht so gut
bekömmst, als ich es verfertigt habe. Wenigstens
untersteh Dich nicht mehr und wische deine kothi¬
gen Schuhe auf Spaziergängen mit neuen Taschen¬

l. 2

packt hatte, um die zwoͤlf ſchoͤnen neuen Hemden
zu ſchonen, welche ſie jetzt hinein legte.

»Trage doch recht Sorge fuͤr Deine Hemden,«
ſagte ſie, »ich habe das Tuch ſelbſt geſponnen;
ſiehſt Du, dieſe ſechs ſind fein und ſchoͤn, ſie
ſtammen aus meinen juͤngeren Jahren, dieſe ſechs
hingegen ſind ſchon groͤber, meine Augen ſind
eben nicht mehr ſo ſcharf. Alle aber ſind ſchnee¬
weiß, und wenn Du auch, waͤhrend ſie noch gut
ſind, feinere Kleider anſchaffen koͤnnteſt, ſo darfſt
Du doch meine Waͤſche dazu tragen, weil es an¬
ſtaͤndige und ehrbare Leinwand iſt. Wechsle recht
gleichmaͤßig ab, wenn Du ſie der Waͤſcherin gibſt,
damit nicht ein Theil zu viel gebraucht wird, und
verfaſſe immer einen genauen Waſchzettel. Und
daß Du mir nur das Weißzeug und dergleichen
mehr eſtimirſt, als bisher, und nichts verzettelſt!
Denn bedenke, daß Du von nun an fuͤr jedes
Fetzchen, das Dir abgeht, baares Geld in die
Hand nehmen mußt und es doch nicht ſo gut
bekoͤmmſt, als ich es verfertigt habe. Wenigſtens
unterſteh Dich nicht mehr und wiſche deine kothi¬
gen Schuhe auf Spaziergaͤngen mit neuen Taſchen¬

l. 2
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[17/0031] packt hatte, um die zwoͤlf ſchoͤnen neuen Hemden zu ſchonen, welche ſie jetzt hinein legte. »Trage doch recht Sorge fuͤr Deine Hemden,« ſagte ſie, »ich habe das Tuch ſelbſt geſponnen; ſiehſt Du, dieſe ſechs ſind fein und ſchoͤn, ſie ſtammen aus meinen juͤngeren Jahren, dieſe ſechs hingegen ſind ſchon groͤber, meine Augen ſind eben nicht mehr ſo ſcharf. Alle aber ſind ſchnee¬ weiß, und wenn Du auch, waͤhrend ſie noch gut ſind, feinere Kleider anſchaffen koͤnnteſt, ſo darfſt Du doch meine Waͤſche dazu tragen, weil es an¬ ſtaͤndige und ehrbare Leinwand iſt. Wechsle recht gleichmaͤßig ab, wenn Du ſie der Waͤſcherin gibſt, damit nicht ein Theil zu viel gebraucht wird, und verfaſſe immer einen genauen Waſchzettel. Und daß Du mir nur das Weißzeug und dergleichen mehr eſtimirſt, als bisher, und nichts verzettelſt! Denn bedenke, daß Du von nun an fuͤr jedes Fetzchen, das Dir abgeht, baares Geld in die Hand nehmen mußt und es doch nicht ſo gut bekoͤmmſt, als ich es verfertigt habe. Wenigſtens unterſteh Dich nicht mehr und wiſche deine kothi¬ gen Schuhe auf Spaziergaͤngen mit neuen Taſchen¬ l. 2

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/31>, abgerufen am 24.11.2024.