schauen, so oft ich wollte, auch hatte ich densel¬ ben schon in allen Gegenden des Hauses herum¬ getragen. Ich nahm ihn also jetzt und trug ihn in das Gewölbe hinunter und legte das Kästchen in eine Kiste, welche mit Stroh gefüllt war. Dann hieß ich den Zweifler mit geheimnißvoller Geberde hereinkommen, lüftete den Deckel der Kiste ein wenig und zog das Kästchen hervor. Als ich es öffnete, blinkten ihm die blanken Sil¬ berstücke gar hell entgegen, als ich aber die Du¬ katen und zuletzt die große Münze hervornahm, daß sie im Zwielichte seltsam funkelte und der alte Schweizer mit dem Banner, der darauf ge¬ prägt war, so wie der Kranz von Wappenschil¬ dern zu Tage traten, da machte er große Augen und wollte mit allen fünf Fingern in das Käst¬ chen fahren. Ich schlug es aber zu, legte es wieder in die Kiste und sagte: "Siehst Du, sol¬ cher Dinge ist die Kiste voll!" Damit schob ich ihn aus dem Keller und zog den Schlüssel ab. Er war nun für einmal geschlagen, denn obgleich er von der Unwirklichkeit unserer Mährchen über¬ zeugt war, so gestattete ihm doch der bisher fest¬
ſchauen, ſo oft ich wollte, auch hatte ich denſel¬ ben ſchon in allen Gegenden des Hauſes herum¬ getragen. Ich nahm ihn alſo jetzt und trug ihn in das Gewoͤlbe hinunter und legte das Kaͤſtchen in eine Kiſte, welche mit Stroh gefuͤllt war. Dann hieß ich den Zweifler mit geheimnißvoller Geberde hereinkommen, luͤftete den Deckel der Kiſte ein wenig und zog das Kaͤſtchen hervor. Als ich es oͤffnete, blinkten ihm die blanken Sil¬ berſtuͤcke gar hell entgegen, als ich aber die Du¬ katen und zuletzt die große Muͤnze hervornahm, daß ſie im Zwielichte ſeltſam funkelte und der alte Schweizer mit dem Banner, der darauf ge¬ praͤgt war, ſo wie der Kranz von Wappenſchil¬ dern zu Tage traten, da machte er große Augen und wollte mit allen fuͤnf Fingern in das Kaͤſt¬ chen fahren. Ich ſchlug es aber zu, legte es wieder in die Kiſte und ſagte: »Siehſt Du, ſol¬ cher Dinge iſt die Kiſte voll!« Damit ſchob ich ihn aus dem Keller und zog den Schluͤſſel ab. Er war nun fuͤr einmal geſchlagen, denn obgleich er von der Unwirklichkeit unſerer Maͤhrchen uͤber¬ zeugt war, ſo geſtattete ihm doch der bisher feſt¬
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[287/0301]
ſchauen, ſo oft ich wollte, auch hatte ich denſel¬
ben ſchon in allen Gegenden des Hauſes herum¬
getragen. Ich nahm ihn alſo jetzt und trug ihn
in das Gewoͤlbe hinunter und legte das Kaͤſtchen
in eine Kiſte, welche mit Stroh gefuͤllt war.
Dann hieß ich den Zweifler mit geheimnißvoller
Geberde hereinkommen, luͤftete den Deckel der
Kiſte ein wenig und zog das Kaͤſtchen hervor.
Als ich es oͤffnete, blinkten ihm die blanken Sil¬
berſtuͤcke gar hell entgegen, als ich aber die Du¬
katen und zuletzt die große Muͤnze hervornahm,
daß ſie im Zwielichte ſeltſam funkelte und der
alte Schweizer mit dem Banner, der darauf ge¬
praͤgt war, ſo wie der Kranz von Wappenſchil¬
dern zu Tage traten, da machte er große Augen
und wollte mit allen fuͤnf Fingern in das Kaͤſt¬
chen fahren. Ich ſchlug es aber zu, legte es
wieder in die Kiſte und ſagte: »Siehſt Du, ſol¬
cher Dinge iſt die Kiſte voll!« Damit ſchob ich
ihn aus dem Keller und zog den Schluͤſſel ab.
Er war nun fuͤr einmal geſchlagen, denn obgleich
er von der Unwirklichkeit unſerer Maͤhrchen uͤber¬
zeugt war, ſo geſtattete ihm doch der bisher feſt¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/301>, abgerufen am 25.11.2024.
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