ich weiß nicht mehr was zu versinnbildlichen. Ich füllte mehrere Arzneigläser mit Wasser und belustigte mich an den Bildungen, welche durch das hineingegossene Wachs entstanden, verschloß die Gläser und vermehrte dadurch meine gelehrte Sammlung. Dieses Gläserwesen sagte mir sehr zu und ich fand einen neuen Stoff dafür, als ich einst mit tiefem Grauen durch eine kleine anatomische Sammlung lief, welche dem städtischen Krankenhause beigegeben war. Einige Reihen von Embryonen und Föten in ihren Gläsern jedoch erwarben sich meinen lebhaften Beifall und boten einen trefflichen Gegenstand für meine Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬ den versuchte. In einem Schranke verwahrte die Mutter die aufgeschichtete Leinwand ihrer Jugend¬ zeit in rohen und gebleichten Stücken, und da¬ selbst lagen auch, verborgen und vergessen, meh¬ rere Scheiben reinlichen Wachses, die verjährten Zeugen einer einstigen fleißigen Bienenzucht. Von diesen brach ich immer ansehnlichere Stücke los und formte nun im Kleinen solche gro߬ köpfige wunderliche Burschen, wie ich sie gesehen,
ich weiß nicht mehr was zu verſinnbildlichen. Ich fuͤllte mehrere Arzneiglaͤſer mit Waſſer und beluſtigte mich an den Bildungen, welche durch das hineingegoſſene Wachs entſtanden, verſchloß die Glaͤſer und vermehrte dadurch meine gelehrte Sammlung. Dieſes Glaͤſerweſen ſagte mir ſehr zu und ich fand einen neuen Stoff dafuͤr, als ich einſt mit tiefem Grauen durch eine kleine anatomiſche Sammlung lief, welche dem ſtaͤdtiſchen Krankenhauſe beigegeben war. Einige Reihen von Embryonen und Foͤten in ihren Glaͤſern jedoch erwarben ſich meinen lebhaften Beifall und boten einen trefflichen Gegenſtand fuͤr meine Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬ den verſuchte. In einem Schranke verwahrte die Mutter die aufgeſchichtete Leinwand ihrer Jugend¬ zeit in rohen und gebleichten Stuͤcken, und da¬ ſelbſt lagen auch, verborgen und vergeſſen, meh¬ rere Scheiben reinlichen Wachſes, die verjaͤhrten Zeugen einer einſtigen fleißigen Bienenzucht. Von dieſen brach ich immer anſehnlichere Stuͤcke los und formte nun im Kleinen ſolche gro߬ koͤpfige wunderliche Burſchen, wie ich ſie geſehen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0267"n="253"/>
ich weiß nicht mehr was zu verſinnbildlichen.<lb/>
Ich fuͤllte mehrere Arzneiglaͤſer mit Waſſer und<lb/>
beluſtigte mich an den Bildungen, welche durch<lb/>
das hineingegoſſene Wachs entſtanden, verſchloß<lb/>
die Glaͤſer und vermehrte dadurch meine gelehrte<lb/>
Sammlung. Dieſes Glaͤſerweſen ſagte mir ſehr<lb/>
zu und ich fand einen neuen Stoff dafuͤr, als<lb/>
ich einſt mit tiefem Grauen durch eine kleine<lb/>
anatomiſche Sammlung lief, welche dem ſtaͤdtiſchen<lb/>
Krankenhauſe beigegeben war. Einige Reihen<lb/>
von Embryonen und Foͤten in ihren Glaͤſern<lb/>
jedoch erwarben ſich meinen lebhaften Beifall<lb/>
und boten einen trefflichen Gegenſtand fuͤr meine<lb/>
Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬<lb/>
den verſuchte. In einem Schranke verwahrte die<lb/>
Mutter die aufgeſchichtete Leinwand ihrer Jugend¬<lb/>
zeit in rohen und gebleichten Stuͤcken, und da¬<lb/>ſelbſt lagen auch, verborgen und vergeſſen, meh¬<lb/>
rere Scheiben reinlichen Wachſes, die verjaͤhrten<lb/>
Zeugen einer einſtigen fleißigen Bienenzucht.<lb/>
Von dieſen brach ich immer anſehnlichere Stuͤcke<lb/>
los und formte nun im Kleinen ſolche gro߬<lb/>
koͤpfige wunderliche Burſchen, wie ich ſie geſehen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[253/0267]
ich weiß nicht mehr was zu verſinnbildlichen.
Ich fuͤllte mehrere Arzneiglaͤſer mit Waſſer und
beluſtigte mich an den Bildungen, welche durch
das hineingegoſſene Wachs entſtanden, verſchloß
die Glaͤſer und vermehrte dadurch meine gelehrte
Sammlung. Dieſes Glaͤſerweſen ſagte mir ſehr
zu und ich fand einen neuen Stoff dafuͤr, als
ich einſt mit tiefem Grauen durch eine kleine
anatomiſche Sammlung lief, welche dem ſtaͤdtiſchen
Krankenhauſe beigegeben war. Einige Reihen
von Embryonen und Foͤten in ihren Glaͤſern
jedoch erwarben ſich meinen lebhaften Beifall
und boten einen trefflichen Gegenſtand fuͤr meine
Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬
den verſuchte. In einem Schranke verwahrte die
Mutter die aufgeſchichtete Leinwand ihrer Jugend¬
zeit in rohen und gebleichten Stuͤcken, und da¬
ſelbſt lagen auch, verborgen und vergeſſen, meh¬
rere Scheiben reinlichen Wachſes, die verjaͤhrten
Zeugen einer einſtigen fleißigen Bienenzucht.
Von dieſen brach ich immer anſehnlichere Stuͤcke
los und formte nun im Kleinen ſolche gro߬
koͤpfige wunderliche Burſchen, wie ich ſie geſehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/267>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.