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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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ich weiß nicht mehr was zu versinnbildlichen.
Ich füllte mehrere Arzneigläser mit Wasser und
belustigte mich an den Bildungen, welche durch
das hineingegossene Wachs entstanden, verschloß
die Gläser und vermehrte dadurch meine gelehrte
Sammlung. Dieses Gläserwesen sagte mir sehr
zu und ich fand einen neuen Stoff dafür, als
ich einst mit tiefem Grauen durch eine kleine
anatomische Sammlung lief, welche dem städtischen
Krankenhause beigegeben war. Einige Reihen
von Embryonen und Föten in ihren Gläsern
jedoch erwarben sich meinen lebhaften Beifall
und boten einen trefflichen Gegenstand für meine
Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬
den versuchte. In einem Schranke verwahrte die
Mutter die aufgeschichtete Leinwand ihrer Jugend¬
zeit in rohen und gebleichten Stücken, und da¬
selbst lagen auch, verborgen und vergessen, meh¬
rere Scheiben reinlichen Wachses, die verjährten
Zeugen einer einstigen fleißigen Bienenzucht.
Von diesen brach ich immer ansehnlichere Stücke
los und formte nun im Kleinen solche gro߬
köpfige wunderliche Burschen, wie ich sie gesehen,

ich weiß nicht mehr was zu verſinnbildlichen.
Ich fuͤllte mehrere Arzneiglaͤſer mit Waſſer und
beluſtigte mich an den Bildungen, welche durch
das hineingegoſſene Wachs entſtanden, verſchloß
die Glaͤſer und vermehrte dadurch meine gelehrte
Sammlung. Dieſes Glaͤſerweſen ſagte mir ſehr
zu und ich fand einen neuen Stoff dafuͤr, als
ich einſt mit tiefem Grauen durch eine kleine
anatomiſche Sammlung lief, welche dem ſtaͤdtiſchen
Krankenhauſe beigegeben war. Einige Reihen
von Embryonen und Foͤten in ihren Glaͤſern
jedoch erwarben ſich meinen lebhaften Beifall
und boten einen trefflichen Gegenſtand fuͤr meine
Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬
den verſuchte. In einem Schranke verwahrte die
Mutter die aufgeſchichtete Leinwand ihrer Jugend¬
zeit in rohen und gebleichten Stuͤcken, und da¬
ſelbſt lagen auch, verborgen und vergeſſen, meh¬
rere Scheiben reinlichen Wachſes, die verjaͤhrten
Zeugen einer einſtigen fleißigen Bienenzucht.
Von dieſen brach ich immer anſehnlichere Stuͤcke
los und formte nun im Kleinen ſolche gro߬
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[253/0267] ich weiß nicht mehr was zu verſinnbildlichen. Ich fuͤllte mehrere Arzneiglaͤſer mit Waſſer und beluſtigte mich an den Bildungen, welche durch das hineingegoſſene Wachs entſtanden, verſchloß die Glaͤſer und vermehrte dadurch meine gelehrte Sammlung. Dieſes Glaͤſerweſen ſagte mir ſehr zu und ich fand einen neuen Stoff dafuͤr, als ich einſt mit tiefem Grauen durch eine kleine anatomiſche Sammlung lief, welche dem ſtaͤdtiſchen Krankenhauſe beigegeben war. Einige Reihen von Embryonen und Foͤten in ihren Glaͤſern jedoch erwarben ſich meinen lebhaften Beifall und boten einen trefflichen Gegenſtand fuͤr meine Sammlung dar, indem ich dergleichen nachzubil¬ den verſuchte. In einem Schranke verwahrte die Mutter die aufgeſchichtete Leinwand ihrer Jugend¬ zeit in rohen und gebleichten Stuͤcken, und da¬ ſelbſt lagen auch, verborgen und vergeſſen, meh¬ rere Scheiben reinlichen Wachſes, die verjaͤhrten Zeugen einer einſtigen fleißigen Bienenzucht. Von dieſen brach ich immer anſehnlichere Stuͤcke los und formte nun im Kleinen ſolche gro߬ koͤpfige wunderliche Burſchen, wie ich ſie geſehen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/267>, abgerufen am 22.11.2024.