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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Schrecken vermehrte jedoch mein Interesse an der
kleinen Menagerie, und ich fütterte sie sehr regel¬
mäßig, führte auch andere Kinder herbei und er¬
klärte ihnen die Bestien mit großem Pathos.
Ein junger Weih, welchen ich erwarb, war der
große Königsadler, die Eidechsen Krokodille, und
die Schlangen wurden sorgsam aus ihren Tü¬
chern hervorgehoben und einer Puppe um die
Glieder gelegt. Dann saß ich wieder stunden¬
lang allein vor den trauernden Thieren und be¬
trachtete ihre Bewegungen. Die Maus hatte
sich längst durchgebissen und war verschwunden,
die Blindschleiche war längst zerbrochen, so wie
die Schwänze sämmtlicher Krokodille, das Kanin¬
chen war mager wie ein Gerippe und hatte doch
keinen Platz mehr in seinem Käfig, alle übrigen
Thiere starben ab und machten mich melancholisch,
so daß ich beschloß, sie sämmtlich zu tödten und
zu begraben. Ich nahm ein dünnes langes
Eisen, machte es glühend und drang mit zittern¬
der Hand damit durch die Gitter und begann
ein gräuliches Blutbad anzurichten. Aber die
Geschöpfe waren mir alle lieb geworden, auch

Schrecken vermehrte jedoch mein Intereſſe an der
kleinen Menagerie, und ich fuͤtterte ſie ſehr regel¬
maͤßig, fuͤhrte auch andere Kinder herbei und er¬
klaͤrte ihnen die Beſtien mit großem Pathos.
Ein junger Weih, welchen ich erwarb, war der
große Koͤnigsadler, die Eidechſen Krokodille, und
die Schlangen wurden ſorgſam aus ihren Tuͤ¬
chern hervorgehoben und einer Puppe um die
Glieder gelegt. Dann ſaß ich wieder ſtunden¬
lang allein vor den trauernden Thieren und be¬
trachtete ihre Bewegungen. Die Maus hatte
ſich laͤngſt durchgebiſſen und war verſchwunden,
die Blindſchleiche war laͤngſt zerbrochen, ſo wie
die Schwaͤnze ſaͤmmtlicher Krokodille, das Kanin¬
chen war mager wie ein Gerippe und hatte doch
keinen Platz mehr in ſeinem Kaͤfig, alle uͤbrigen
Thiere ſtarben ab und machten mich melancholiſch,
ſo daß ich beſchloß, ſie ſaͤmmtlich zu toͤdten und
zu begraben. Ich nahm ein duͤnnes langes
Eiſen, machte es gluͤhend und drang mit zittern¬
der Hand damit durch die Gitter und begann
ein graͤuliches Blutbad anzurichten. Aber die
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[249/0263] Schrecken vermehrte jedoch mein Intereſſe an der kleinen Menagerie, und ich fuͤtterte ſie ſehr regel¬ maͤßig, fuͤhrte auch andere Kinder herbei und er¬ klaͤrte ihnen die Beſtien mit großem Pathos. Ein junger Weih, welchen ich erwarb, war der große Koͤnigsadler, die Eidechſen Krokodille, und die Schlangen wurden ſorgſam aus ihren Tuͤ¬ chern hervorgehoben und einer Puppe um die Glieder gelegt. Dann ſaß ich wieder ſtunden¬ lang allein vor den trauernden Thieren und be¬ trachtete ihre Bewegungen. Die Maus hatte ſich laͤngſt durchgebiſſen und war verſchwunden, die Blindſchleiche war laͤngſt zerbrochen, ſo wie die Schwaͤnze ſaͤmmtlicher Krokodille, das Kanin¬ chen war mager wie ein Gerippe und hatte doch keinen Platz mehr in ſeinem Kaͤfig, alle uͤbrigen Thiere ſtarben ab und machten mich melancholiſch, ſo daß ich beſchloß, ſie ſaͤmmtlich zu toͤdten und zu begraben. Ich nahm ein duͤnnes langes Eiſen, machte es gluͤhend und drang mit zittern¬ der Hand damit durch die Gitter und begann ein graͤuliches Blutbad anzurichten. Aber die Geſchoͤpfe waren mir alle lieb geworden, auch

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/263>, abgerufen am 25.11.2024.