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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Erhalten; denn die zarten Thiere behaupteten eine
zähe Lebenskraft in meinen mörderischen Händen,
und bis sie endlich leblos waren, fand sich Duft
und Farbe zerstört und verloren, und es ragte
auf meinen Nadeln eine zerfetzte Gesellschaft er¬
barmungswürdiger Märtyrer. Schon das Tödten
an sich selbst ermüdete mich und regte mich zu
zu sehr auf, indem ich die zierlichen Geschöpfe
nicht leiden sehen konnte. Dieses war keine un¬
kindliche Empfindsamkeit; mir widerwärtige oder
gleichgültige Thiere konnte ich so gut mißhandeln
wie alle Kinder; es war vielmehr ein aristokra¬
tisches Mitgefühl für diese edleren Kreaturen,
denen ich wohl gewogen war. Jeder der unseligen
Reste machte mich um so melancholischer, als er
das Denkmal eines im Freien zugebrachten Ta¬
ges und eines Abenteuers war. Die Zeit von
seiner Gefangennehmung bis zu seinem qual¬
vollen Tode war ein Schicksal, welches mich
interessirte, und die stummen Ueberbleibsel redeten
eine vorwurfsvolle Sprache zu mir.

Auch diese Unternehmung scheiterte endlich,
als ich zum ersten Male eine große Menagerie

Erhalten; denn die zarten Thiere behaupteten eine
zaͤhe Lebenskraft in meinen moͤrderiſchen Haͤnden,
und bis ſie endlich leblos waren, fand ſich Duft
und Farbe zerſtoͤrt und verloren, und es ragte
auf meinen Nadeln eine zerfetzte Geſellſchaft er¬
barmungswuͤrdiger Maͤrtyrer. Schon das Toͤdten
an ſich ſelbſt ermuͤdete mich und regte mich zu
zu ſehr auf, indem ich die zierlichen Geſchoͤpfe
nicht leiden ſehen konnte. Dieſes war keine un¬
kindliche Empfindſamkeit; mir widerwaͤrtige oder
gleichguͤltige Thiere konnte ich ſo gut mißhandeln
wie alle Kinder; es war vielmehr ein ariſtokra¬
tiſches Mitgefuͤhl fuͤr dieſe edleren Kreaturen,
denen ich wohl gewogen war. Jeder der unſeligen
Reſte machte mich um ſo melancholiſcher, als er
das Denkmal eines im Freien zugebrachten Ta¬
ges und eines Abenteuers war. Die Zeit von
ſeiner Gefangennehmung bis zu ſeinem qual¬
vollen Tode war ein Schickſal, welches mich
intereſſirte, und die ſtummen Ueberbleibſel redeten
eine vorwurfsvolle Sprache zu mir.

Auch dieſe Unternehmung ſcheiterte endlich,
als ich zum erſten Male eine große Menagerie

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[247/0261] Erhalten; denn die zarten Thiere behaupteten eine zaͤhe Lebenskraft in meinen moͤrderiſchen Haͤnden, und bis ſie endlich leblos waren, fand ſich Duft und Farbe zerſtoͤrt und verloren, und es ragte auf meinen Nadeln eine zerfetzte Geſellſchaft er¬ barmungswuͤrdiger Maͤrtyrer. Schon das Toͤdten an ſich ſelbſt ermuͤdete mich und regte mich zu zu ſehr auf, indem ich die zierlichen Geſchoͤpfe nicht leiden ſehen konnte. Dieſes war keine un¬ kindliche Empfindſamkeit; mir widerwaͤrtige oder gleichguͤltige Thiere konnte ich ſo gut mißhandeln wie alle Kinder; es war vielmehr ein ariſtokra¬ tiſches Mitgefuͤhl fuͤr dieſe edleren Kreaturen, denen ich wohl gewogen war. Jeder der unſeligen Reſte machte mich um ſo melancholiſcher, als er das Denkmal eines im Freien zugebrachten Ta¬ ges und eines Abenteuers war. Die Zeit von ſeiner Gefangennehmung bis zu ſeinem qual¬ vollen Tode war ein Schickſal, welches mich intereſſirte, und die ſtummen Ueberbleibſel redeten eine vorwurfsvolle Sprache zu mir. Auch dieſe Unternehmung ſcheiterte endlich, als ich zum erſten Male eine große Menagerie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/261>, abgerufen am 25.11.2024.