tus, wie es häufig bei hoffnungsreichen und en¬ thusiastischen Jünglingen geschieht.
So wenig, außer dem tiefen ruhigen Strö¬ men des Flusses, ein Ton in dieser Frühe hörbar wurde, ebenso wenig war an der weiten tiefen himmlischen Krystallglocke der leiseste Hauch eines Wölkleins zu sehen. Der weite See verschmolz mit den Füßen des Hochgebirges in eine blau¬ graue Dämmerung; die Schneekuppen und Hör¬ ner standen milchblaß in der Frühe. Als Hein¬ rich an den Rand des Waldes trat, überflog der erste Rosenschimmer der nahenden Sonne die geisterhaften Gebilde; über dem letzten einsamen Eisaltar glimmte noch der Morgenstern.
Indem unser Knabe starr nach ihm hinsah, that er einen jener stummen, flüchtigen Gebet¬ seufzer, die, wenn sie in Worte zu fassen wären, ungefähr so lauten würden: das ist sehr schön, o Gott! ich danke dir dafür, ich gelobe, das Mei¬ nige auch zu thun! Wo und wer du auch seist, habe Nachsicht mit mir, du weißt, wie Alles kommt in deiner Welt, übrigens mache mit mir, was du willst!
tus, wie es haͤufig bei hoffnungsreichen und en¬ thuſiaſtiſchen Juͤnglingen geſchieht.
So wenig, außer dem tiefen ruhigen Stroͤ¬ men des Fluſſes, ein Ton in dieſer Fruͤhe hoͤrbar wurde, ebenſo wenig war an der weiten tiefen himmliſchen Kryſtallglocke der leiſeſte Hauch eines Woͤlkleins zu ſehen. Der weite See verſchmolz mit den Fuͤßen des Hochgebirges in eine blau¬ graue Daͤmmerung; die Schneekuppen und Hoͤr¬ ner ſtanden milchblaß in der Fruͤhe. Als Hein¬ rich an den Rand des Waldes trat, uͤberflog der erſte Roſenſchimmer der nahenden Sonne die geiſterhaften Gebilde; uͤber dem letzten einſamen Eisaltar glimmte noch der Morgenſtern.
Indem unſer Knabe ſtarr nach ihm hinſah, that er einen jener ſtummen, fluͤchtigen Gebet¬ ſeufzer, die, wenn ſie in Worte zu faſſen waͤren, ungefaͤhr ſo lauten wuͤrden: das iſt ſehr ſchoͤn, o Gott! ich danke dir dafuͤr, ich gelobe, das Mei¬ nige auch zu thun! Wo und wer du auch ſeiſt, habe Nachſicht mit mir, du weißt, wie Alles kommt in deiner Welt, uͤbrigens mache mit mir, was du willſt!
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tus, wie es haͤufig bei hoffnungsreichen und en¬
thuſiaſtiſchen Juͤnglingen geſchieht.
So wenig, außer dem tiefen ruhigen Stroͤ¬
men des Fluſſes, ein Ton in dieſer Fruͤhe hoͤrbar
wurde, ebenſo wenig war an der weiten tiefen
himmliſchen Kryſtallglocke der leiſeſte Hauch eines
Woͤlkleins zu ſehen. Der weite See verſchmolz
mit den Fuͤßen des Hochgebirges in eine blau¬
graue Daͤmmerung; die Schneekuppen und Hoͤr¬
ner ſtanden milchblaß in der Fruͤhe. Als Hein¬
rich an den Rand des Waldes trat, uͤberflog der
erſte Roſenſchimmer der nahenden Sonne die
geiſterhaften Gebilde; uͤber dem letzten einſamen
Eisaltar glimmte noch der Morgenſtern.
Indem unſer Knabe ſtarr nach ihm hinſah,
that er einen jener ſtummen, fluͤchtigen Gebet¬
ſeufzer, die, wenn ſie in Worte zu faſſen waͤren,
ungefaͤhr ſo lauten wuͤrden: das iſt ſehr ſchoͤn, o
Gott! ich danke dir dafuͤr, ich gelobe, das Mei¬
nige auch zu thun! Wo und wer du auch ſeiſt,
habe Nachſicht mit mir, du weißt, wie Alles
kommt in deiner Welt, uͤbrigens mache mit mir,
was du willſt!
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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