Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

mit meinem Abenteuer in Zusammenhang, daß
der Eine und Andere der Knaben nachgewiesener
Maßen die Schule geschwänzt hatte, gerade um
die Zeit, welche ich angab. Man glaubte meiner
großen Jugend sowohl, wie meiner Erzählung;
diese fiel ganz unerwartet und unbefangen aus
dem blauen Himmel meines sonstigen Schwei¬
gens. Die Angeklagten wurden unschuldig ver¬
urtheilt als verwilderte bösartige junge Leute,
da ihr hartnäckiges und einstimmiges Läugnen
und ihre gerechte Entrüstung und Verzweiflung
die Sache noch verschlimmerten; sie erhielten die
härtesten Schulstrafen, wurden einige Wochen
lang auf die Schandbank gesetzt, und überdies
noch von ihren Eltern geschlagen und eingesperrt.

So viel ich mich dunkel erinnere, war mir
das angerichtete Unheil nicht nur gleichgültig,
sondern ich fühlte eher noch eine Befriedigung
in mir, daß die poetische Gerechtigkeit meine Er¬
findung so schön und sichtbarlich abrundete, daß
etwas Auffallendes geschah, gehandelt und ge¬
litten wurde, und das in Folge meines schöpfe¬
rischen Wortes. Ich begriff gar nicht, wie die

mit meinem Abenteuer in Zuſammenhang, daß
der Eine und Andere der Knaben nachgewieſener
Maßen die Schule geſchwaͤnzt hatte, gerade um
die Zeit, welche ich angab. Man glaubte meiner
großen Jugend ſowohl, wie meiner Erzaͤhlung;
dieſe fiel ganz unerwartet und unbefangen aus
dem blauen Himmel meines ſonſtigen Schwei¬
gens. Die Angeklagten wurden unſchuldig ver¬
urtheilt als verwilderte boͤsartige junge Leute,
da ihr hartnaͤckiges und einſtimmiges Laͤugnen
und ihre gerechte Entruͤſtung und Verzweiflung
die Sache noch verſchlimmerten; ſie erhielten die
haͤrteſten Schulſtrafen, wurden einige Wochen
lang auf die Schandbank geſetzt, und uͤberdies
noch von ihren Eltern geſchlagen und eingeſperrt.

So viel ich mich dunkel erinnere, war mir
das angerichtete Unheil nicht nur gleichguͤltig,
ſondern ich fuͤhlte eher noch eine Befriedigung
in mir, daß die poetiſche Gerechtigkeit meine Er¬
findung ſo ſchoͤn und ſichtbarlich abrundete, daß
etwas Auffallendes geſchah, gehandelt und ge¬
litten wurde, und das in Folge meines ſchoͤpfe¬
riſchen Wortes. Ich begriff gar nicht, wie die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="224"/>
mit meinem Abenteuer in Zu&#x017F;ammenhang, daß<lb/>
der Eine und Andere der Knaben nachgewie&#x017F;ener<lb/>
Maßen die Schule ge&#x017F;chwa&#x0364;nzt hatte, gerade um<lb/>
die Zeit, welche ich angab. Man glaubte meiner<lb/>
großen Jugend &#x017F;owohl, wie meiner Erza&#x0364;hlung;<lb/>
die&#x017F;e fiel ganz unerwartet und unbefangen aus<lb/>
dem blauen Himmel meines &#x017F;on&#x017F;tigen Schwei¬<lb/>
gens. Die Angeklagten wurden un&#x017F;chuldig ver¬<lb/>
urtheilt als verwilderte bo&#x0364;sartige junge Leute,<lb/>
da ihr hartna&#x0364;ckiges und ein&#x017F;timmiges La&#x0364;ugnen<lb/>
und ihre gerechte Entru&#x0364;&#x017F;tung und Verzweiflung<lb/>
die Sache noch ver&#x017F;chlimmerten; &#x017F;ie erhielten die<lb/>
ha&#x0364;rte&#x017F;ten Schul&#x017F;trafen, wurden einige Wochen<lb/>
lang auf die Schandbank ge&#x017F;etzt, und u&#x0364;berdies<lb/>
noch von ihren Eltern ge&#x017F;chlagen und einge&#x017F;perrt.</p><lb/>
        <p>So viel ich mich dunkel erinnere, war mir<lb/>
das angerichtete Unheil nicht nur gleichgu&#x0364;ltig,<lb/>
&#x017F;ondern ich fu&#x0364;hlte eher noch eine Befriedigung<lb/>
in mir, daß die poeti&#x017F;che Gerechtigkeit meine Er¬<lb/>
findung &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n und &#x017F;ichtbarlich abrundete, daß<lb/>
etwas Auffallendes ge&#x017F;chah, gehandelt und ge¬<lb/>
litten wurde, und das in Folge meines &#x017F;cho&#x0364;pfe¬<lb/>
ri&#x017F;chen Wortes. Ich begriff gar nicht, wie die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] mit meinem Abenteuer in Zuſammenhang, daß der Eine und Andere der Knaben nachgewieſener Maßen die Schule geſchwaͤnzt hatte, gerade um die Zeit, welche ich angab. Man glaubte meiner großen Jugend ſowohl, wie meiner Erzaͤhlung; dieſe fiel ganz unerwartet und unbefangen aus dem blauen Himmel meines ſonſtigen Schwei¬ gens. Die Angeklagten wurden unſchuldig ver¬ urtheilt als verwilderte boͤsartige junge Leute, da ihr hartnaͤckiges und einſtimmiges Laͤugnen und ihre gerechte Entruͤſtung und Verzweiflung die Sache noch verſchlimmerten; ſie erhielten die haͤrteſten Schulſtrafen, wurden einige Wochen lang auf die Schandbank geſetzt, und uͤberdies noch von ihren Eltern geſchlagen und eingeſperrt. So viel ich mich dunkel erinnere, war mir das angerichtete Unheil nicht nur gleichguͤltig, ſondern ich fuͤhlte eher noch eine Befriedigung in mir, daß die poetiſche Gerechtigkeit meine Er¬ findung ſo ſchoͤn und ſichtbarlich abrundete, daß etwas Auffallendes geſchah, gehandelt und ge¬ litten wurde, und das in Folge meines ſchoͤpfe¬ riſchen Wortes. Ich begriff gar nicht, wie die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/238
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/238>, abgerufen am 22.11.2024.