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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Weidenkörbe und buntbemalte Schachteln, ange¬
füllt mit künstlichen Blumen und vergilbtem
Flitterkram, Kinder schleppten wächserne Engel
in den Armen oder trugen chinesische Krüge in
den Händen, es war, als sähe man eine Schaar
Bilderstürmer aus einer geplünderten Kirche
kommen. Doch gedachte ein Jeder seine Beute
als ein werthes Angedenken an die Verstorbene
aufzubewahren, sich schließlich an das genossene
Gute erinnernd, und zog mit Wehmuth seine
Straße, indessen der Haupterbe, neben seinem
Wagen einherschreitend, plötzlich halt machte, sich
besann, darauf die ganze Ladung einem Trödler
verkaufte und auch nicht einen Nagel aufbe¬
wahrte. Dann ging er zu einem Goldschmied
und verkaufte demselben die Schaumünzen, Kelche
und Ketten, und zog endlich mit rüstigen Schrit¬
ten aus dem Thore, ohne sich umzusehen, mit
seiner dicken Geldkatze und seinem Stabe. Er
schien froh zu sein, eine verdrießliche und lang¬
wierige Angelegenheit endlich erledigt zu sehen.

In dem Hause aber blieb der alte Mann
allein und einsam zurück mit dem zusammen¬

Weidenkoͤrbe und buntbemalte Schachteln, ange¬
fuͤllt mit kuͤnſtlichen Blumen und vergilbtem
Flitterkram, Kinder ſchleppten waͤchſerne Engel
in den Armen oder trugen chineſiſche Kruͤge in
den Haͤnden, es war, als ſaͤhe man eine Schaar
Bilderſtuͤrmer aus einer gepluͤnderten Kirche
kommen. Doch gedachte ein Jeder ſeine Beute
als ein werthes Angedenken an die Verſtorbene
aufzubewahren, ſich ſchließlich an das genoſſene
Gute erinnernd, und zog mit Wehmuth ſeine
Straße, indeſſen der Haupterbe, neben ſeinem
Wagen einherſchreitend, ploͤtzlich halt machte, ſich
beſann, darauf die ganze Ladung einem Troͤdler
verkaufte und auch nicht einen Nagel aufbe¬
wahrte. Dann ging er zu einem Goldſchmied
und verkaufte demſelben die Schaumuͤnzen, Kelche
und Ketten, und zog endlich mit ruͤſtigen Schrit¬
ten aus dem Thore, ohne ſich umzuſehen, mit
ſeiner dicken Geldkatze und ſeinem Stabe. Er
ſchien froh zu ſein, eine verdrießliche und lang¬
wierige Angelegenheit endlich erledigt zu ſehen.

In dem Hauſe aber blieb der alte Mann
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[215/0229] Weidenkoͤrbe und buntbemalte Schachteln, ange¬ fuͤllt mit kuͤnſtlichen Blumen und vergilbtem Flitterkram, Kinder ſchleppten waͤchſerne Engel in den Armen oder trugen chineſiſche Kruͤge in den Haͤnden, es war, als ſaͤhe man eine Schaar Bilderſtuͤrmer aus einer gepluͤnderten Kirche kommen. Doch gedachte ein Jeder ſeine Beute als ein werthes Angedenken an die Verſtorbene aufzubewahren, ſich ſchließlich an das genoſſene Gute erinnernd, und zog mit Wehmuth ſeine Straße, indeſſen der Haupterbe, neben ſeinem Wagen einherſchreitend, ploͤtzlich halt machte, ſich beſann, darauf die ganze Ladung einem Troͤdler verkaufte und auch nicht einen Nagel aufbe¬ wahrte. Dann ging er zu einem Goldſchmied und verkaufte demſelben die Schaumuͤnzen, Kelche und Ketten, und zog endlich mit ruͤſtigen Schrit¬ ten aus dem Thore, ohne ſich umzuſehen, mit ſeiner dicken Geldkatze und ſeinem Stabe. Er ſchien froh zu ſein, eine verdrießliche und lang¬ wierige Angelegenheit endlich erledigt zu ſehen. In dem Hauſe aber blieb der alte Mann allein und einſam zuruͤck mit dem zuſammen¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/229>, abgerufen am 24.11.2024.