die unheimlichen Gesellen von der Seite anzu¬ schielen, während sie doch wußte, daß dieses höchst schädlich sei. Einige Male war sie auch ganz aufgeschwollen auf der Seite, wo die Ge¬ spenster gelaufen waren, und mußte den Doctor herbeirufen. Ferner erzählte sie von den Zaube¬ reien und bösen Künsten, welche zur Zeit ihrer Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬ derts, noch gang und gäbe waren unter den Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬ bücher besaßen, mittelst deren sie den schlimmsten Unfug trieben. Daß sie mit offener Flamme Löcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne diese zu zerstören, oder auf dem Wasser gehen, oder den Rauch aus den Schornsteinen in be¬ liebiger Richtung aufsteigen und possierliche Figu¬ ren bilden zu lassen verstanden, gehörte nur zu den unschuldigen Scherzen. Aber gräulich war es, wenn sie ihre Feinde langsam tödteten, indem sie für dieselben drei Nägel in einen Weiden¬ baum schlugen unter den gehörigen Sprüchen (Margreth's Vater siechte lange Zeit in Folge
die unheimlichen Geſellen von der Seite anzu¬ ſchielen, waͤhrend ſie doch wußte, daß dieſes hoͤchſt ſchaͤdlich ſei. Einige Male war ſie auch ganz aufgeſchwollen auf der Seite, wo die Ge¬ ſpenſter gelaufen waren, und mußte den Doctor herbeirufen. Ferner erzaͤhlte ſie von den Zaube¬ reien und boͤſen Kuͤnſten, welche zur Zeit ihrer Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬ derts, noch gang und gaͤbe waren unter den Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬ buͤcher beſaßen, mittelſt deren ſie den ſchlimmſten Unfug trieben. Daß ſie mit offener Flamme Loͤcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne dieſe zu zerſtoͤren, oder auf dem Waſſer gehen, oder den Rauch aus den Schornſteinen in be¬ liebiger Richtung aufſteigen und poſſierliche Figu¬ ren bilden zu laſſen verſtanden, gehoͤrte nur zu den unſchuldigen Scherzen. Aber graͤulich war es, wenn ſie ihre Feinde langſam toͤdteten, indem ſie fuͤr dieſelben drei Naͤgel in einen Weiden¬ baum ſchlugen unter den gehoͤrigen Spruͤchen (Margreth's Vater ſiechte lange Zeit in Folge
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0210"n="196"/>
die unheimlichen Geſellen von der Seite anzu¬<lb/>ſchielen, waͤhrend ſie doch wußte, daß dieſes<lb/>
hoͤchſt ſchaͤdlich ſei. Einige Male war ſie auch<lb/>
ganz aufgeſchwollen auf der Seite, wo die Ge¬<lb/>ſpenſter gelaufen waren, und mußte den Doctor<lb/>
herbeirufen. Ferner erzaͤhlte ſie von den Zaube¬<lb/>
reien und boͤſen Kuͤnſten, welche zur Zeit ihrer<lb/>
Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬<lb/>
derts, noch gang und gaͤbe waren unter den<lb/>
Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche<lb/>
gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬<lb/>
buͤcher beſaßen, mittelſt deren ſie den ſchlimmſten<lb/>
Unfug trieben. Daß ſie mit offener Flamme<lb/>
Loͤcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne<lb/>
dieſe zu zerſtoͤren, oder auf dem Waſſer gehen,<lb/>
oder den Rauch aus den Schornſteinen in be¬<lb/>
liebiger Richtung aufſteigen und poſſierliche Figu¬<lb/>
ren bilden zu laſſen verſtanden, gehoͤrte nur zu<lb/>
den unſchuldigen Scherzen. Aber graͤulich war<lb/>
es, wenn ſie ihre Feinde langſam toͤdteten, indem<lb/>ſie fuͤr dieſelben drei Naͤgel in einen Weiden¬<lb/>
baum ſchlugen unter den gehoͤrigen Spruͤchen<lb/>
(Margreth's Vater ſiechte lange Zeit in Folge<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0210]
die unheimlichen Geſellen von der Seite anzu¬
ſchielen, waͤhrend ſie doch wußte, daß dieſes
hoͤchſt ſchaͤdlich ſei. Einige Male war ſie auch
ganz aufgeſchwollen auf der Seite, wo die Ge¬
ſpenſter gelaufen waren, und mußte den Doctor
herbeirufen. Ferner erzaͤhlte ſie von den Zaube¬
reien und boͤſen Kuͤnſten, welche zur Zeit ihrer
Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬
derts, noch gang und gaͤbe waren unter den
Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche
gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬
buͤcher beſaßen, mittelſt deren ſie den ſchlimmſten
Unfug trieben. Daß ſie mit offener Flamme
Loͤcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne
dieſe zu zerſtoͤren, oder auf dem Waſſer gehen,
oder den Rauch aus den Schornſteinen in be¬
liebiger Richtung aufſteigen und poſſierliche Figu¬
ren bilden zu laſſen verſtanden, gehoͤrte nur zu
den unſchuldigen Scherzen. Aber graͤulich war
es, wenn ſie ihre Feinde langſam toͤdteten, indem
ſie fuͤr dieſelben drei Naͤgel in einen Weiden¬
baum ſchlugen unter den gehoͤrigen Spruͤchen
(Margreth's Vater ſiechte lange Zeit in Folge
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/210>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.