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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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die unheimlichen Gesellen von der Seite anzu¬
schielen, während sie doch wußte, daß dieses
höchst schädlich sei. Einige Male war sie auch
ganz aufgeschwollen auf der Seite, wo die Ge¬
spenster gelaufen waren, und mußte den Doctor
herbeirufen. Ferner erzählte sie von den Zaube¬
reien und bösen Künsten, welche zur Zeit ihrer
Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬
derts, noch gang und gäbe waren unter den
Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche
gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬
bücher besaßen, mittelst deren sie den schlimmsten
Unfug trieben. Daß sie mit offener Flamme
Löcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne
diese zu zerstören, oder auf dem Wasser gehen,
oder den Rauch aus den Schornsteinen in be¬
liebiger Richtung aufsteigen und possierliche Figu¬
ren bilden zu lassen verstanden, gehörte nur zu
den unschuldigen Scherzen. Aber gräulich war
es, wenn sie ihre Feinde langsam tödteten, indem
sie für dieselben drei Nägel in einen Weiden¬
baum schlugen unter den gehörigen Sprüchen
(Margreth's Vater siechte lange Zeit in Folge

die unheimlichen Geſellen von der Seite anzu¬
ſchielen, waͤhrend ſie doch wußte, daß dieſes
hoͤchſt ſchaͤdlich ſei. Einige Male war ſie auch
ganz aufgeſchwollen auf der Seite, wo die Ge¬
ſpenſter gelaufen waren, und mußte den Doctor
herbeirufen. Ferner erzaͤhlte ſie von den Zaube¬
reien und boͤſen Kuͤnſten, welche zur Zeit ihrer
Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬
derts, noch gang und gaͤbe waren unter den
Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche
gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬
buͤcher beſaßen, mittelſt deren ſie den ſchlimmſten
Unfug trieben. Daß ſie mit offener Flamme
Loͤcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne
dieſe zu zerſtoͤren, oder auf dem Waſſer gehen,
oder den Rauch aus den Schornſteinen in be¬
liebiger Richtung aufſteigen und poſſierliche Figu¬
ren bilden zu laſſen verſtanden, gehoͤrte nur zu
den unſchuldigen Scherzen. Aber graͤulich war
es, wenn ſie ihre Feinde langſam toͤdteten, indem
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[196/0210] die unheimlichen Geſellen von der Seite anzu¬ ſchielen, waͤhrend ſie doch wußte, daß dieſes hoͤchſt ſchaͤdlich ſei. Einige Male war ſie auch ganz aufgeſchwollen auf der Seite, wo die Ge¬ ſpenſter gelaufen waren, und mußte den Doctor herbeirufen. Ferner erzaͤhlte ſie von den Zaube¬ reien und boͤſen Kuͤnſten, welche zur Zeit ihrer Jugend, gegen das Ende des vorigen Jahrhun¬ derts, noch gang und gaͤbe waren unter den Bauern. Da waren in ihrer Heimath reiche gewaltige Bauernfamilien, welche alte Heiden¬ buͤcher beſaßen, mittelſt deren ſie den ſchlimmſten Unfug trieben. Daß ſie mit offener Flamme Loͤcher durch Strohbunde brennen konnten, ohne dieſe zu zerſtoͤren, oder auf dem Waſſer gehen, oder den Rauch aus den Schornſteinen in be¬ liebiger Richtung aufſteigen und poſſierliche Figu¬ ren bilden zu laſſen verſtanden, gehoͤrte nur zu den unſchuldigen Scherzen. Aber graͤulich war es, wenn ſie ihre Feinde langſam toͤdteten, indem ſie fuͤr dieſelben drei Naͤgel in einen Weiden¬ baum ſchlugen unter den gehoͤrigen Spruͤchen (Margreth's Vater ſiechte lange Zeit in Folge

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/210>, abgerufen am 24.11.2024.