dergleichen mitzumachen. Vielmehr tadelte sie mit scharfen Worten die Kopfhänger und wurde sarkastisch und bitter, wenn sie allzu mystischen Unrath merkte. Sie bedurfte das Wunderbare und Geheimnißvolle, aber in der Sinnenwelt, in Leben und Schicksal, in der äußern wechsel¬ vollen Erscheinung; von innern Seelenwundern, bevorzugten Stimmungen, Auserwählten u. dgl. wollte sie nichts hören und kanzelte ihre Gäste tüchtig herunter, wenn sie mit solchen Dingen auftreten wollten. Außer daß Gott als der kunst- und sinnreiche Schöpfer all der wunderbaren Dinge und Vorkommnisse für sie existirte, war er ihr vorzüglich in Einer Richtung noch merk- und preiswürdig: nämlich als der treue Beiständer der klugen und rührigen Leute, welche, mit Nichts und weniger als Nichts anfangend, ihr Glück in der Welt selbst machen und es zu etwas Ordentlichem bringen. Deshalb hatte sie ihre größte Freude an jungen Leuten, welche sich aus einer dunklen dürftigen Abkunft heraus durch Talent, Fleiß, Sparsamkeit, Klugheit u. s. f. in eine gute Stellung gearbeitet hatten und wohl
dergleichen mitzumachen. Vielmehr tadelte ſie mit ſcharfen Worten die Kopfhaͤnger und wurde ſarkaſtiſch und bitter, wenn ſie allzu myſtiſchen Unrath merkte. Sie bedurfte das Wunderbare und Geheimnißvolle, aber in der Sinnenwelt, in Leben und Schickſal, in der aͤußern wechſel¬ vollen Erſcheinung; von innern Seelenwundern, bevorzugten Stimmungen, Auserwaͤhlten u. dgl. wollte ſie nichts hoͤren und kanzelte ihre Gaͤſte tuͤchtig herunter, wenn ſie mit ſolchen Dingen auftreten wollten. Außer daß Gott als der kunſt- und ſinnreiche Schoͤpfer all der wunderbaren Dinge und Vorkommniſſe fuͤr ſie exiſtirte, war er ihr vorzuͤglich in Einer Richtung noch merk- und preiswuͤrdig: naͤmlich als der treue Beiſtaͤnder der klugen und ruͤhrigen Leute, welche, mit Nichts und weniger als Nichts anfangend, ihr Gluͤck in der Welt ſelbſt machen und es zu etwas Ordentlichem bringen. Deshalb hatte ſie ihre groͤßte Freude an jungen Leuten, welche ſich aus einer dunklen duͤrftigen Abkunft heraus durch Talent, Fleiß, Sparſamkeit, Klugheit u. ſ. f. in eine gute Stellung gearbeitet hatten und wohl
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dergleichen mitzumachen. Vielmehr tadelte ſie
mit ſcharfen Worten die Kopfhaͤnger und wurde
ſarkaſtiſch und bitter, wenn ſie allzu myſtiſchen
Unrath merkte. Sie bedurfte das Wunderbare
und Geheimnißvolle, aber in der Sinnenwelt,
in Leben und Schickſal, in der aͤußern wechſel¬
vollen Erſcheinung; von innern Seelenwundern,
bevorzugten Stimmungen, Auserwaͤhlten u. dgl.
wollte ſie nichts hoͤren und kanzelte ihre Gaͤſte
tuͤchtig herunter, wenn ſie mit ſolchen Dingen
auftreten wollten. Außer daß Gott als der kunſt-
und ſinnreiche Schoͤpfer all der wunderbaren
Dinge und Vorkommniſſe fuͤr ſie exiſtirte, war er
ihr vorzuͤglich in Einer Richtung noch merk- und
preiswuͤrdig: naͤmlich als der treue Beiſtaͤnder
der klugen und ruͤhrigen Leute, welche, mit
Nichts und weniger als Nichts anfangend, ihr
Gluͤck in der Welt ſelbſt machen und es zu etwas
Ordentlichem bringen. Deshalb hatte ſie ihre
groͤßte Freude an jungen Leuten, welche ſich aus
einer dunklen duͤrftigen Abkunft heraus durch
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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