Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.Es war ein Kind aus einer unglücklichen ersten Es war ein Kind aus einer ungluͤcklichen erſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="156"/> Es war ein Kind aus einer ungluͤcklichen erſten<lb/> Ehe und mochte ſonſt ſchon ein Stein des An¬<lb/> ſtoßes ſein. So beſchloß man, als es durch keine<lb/> Mittel von der unerklaͤrlichen Unart abgebracht<lb/> werden konnte, das Kind jenem wegen ſeiner<lb/> Froͤmmigkeit und Strengglaͤubigkeit beruͤhmten<lb/> Pfarrherrn verſuchsweiſe in Pflege zu geben.<lb/> Wenn ſchon die Familie die Sache als ein be¬<lb/> fremdliches und ihrem Rufe Unehre bringendes<lb/> Ungluͤck auffaßte, ſo betrachtete der dumpfe, harte<lb/> Mann dieſelbe vollends als eine unheilvolle infer¬<lb/> naliſche Erſcheinung, welcher mit aller Kraft ent¬<lb/> gegen zu treten ſei. Demgemaͤß nahm er ſeine<lb/> Maßregeln, und ein altes vergilbtes „<hi rendition="#aq">diarium</hi>“,<lb/> von ihm herruͤhrend und im Pfarrhauſe aufbe¬<lb/> wahrt, enthaͤlt einige Notizen, welche uͤber ſein<lb/> Verfahren, ſo wie das weitere Schickſal des un¬<lb/> gluͤcklichen Geſchoͤpfes hinreichenden Aufſchluß ge¬<lb/> ben. Folgende Stellen habe ich mir ihres ſelt¬<lb/> ſamen Inhaltes wegen abgeſchrieben und will ſie<lb/> dieſen Blaͤttern einverleiben und ſo die Erinne¬<lb/> rung an jenes Kind in meinen eigenen Erinnerungen<lb/> aufbewahren da ſie ſonſt verloren gehen wuͤrde.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0170]
Es war ein Kind aus einer ungluͤcklichen erſten
Ehe und mochte ſonſt ſchon ein Stein des An¬
ſtoßes ſein. So beſchloß man, als es durch keine
Mittel von der unerklaͤrlichen Unart abgebracht
werden konnte, das Kind jenem wegen ſeiner
Froͤmmigkeit und Strengglaͤubigkeit beruͤhmten
Pfarrherrn verſuchsweiſe in Pflege zu geben.
Wenn ſchon die Familie die Sache als ein be¬
fremdliches und ihrem Rufe Unehre bringendes
Ungluͤck auffaßte, ſo betrachtete der dumpfe, harte
Mann dieſelbe vollends als eine unheilvolle infer¬
naliſche Erſcheinung, welcher mit aller Kraft ent¬
gegen zu treten ſei. Demgemaͤß nahm er ſeine
Maßregeln, und ein altes vergilbtes „diarium“,
von ihm herruͤhrend und im Pfarrhauſe aufbe¬
wahrt, enthaͤlt einige Notizen, welche uͤber ſein
Verfahren, ſo wie das weitere Schickſal des un¬
gluͤcklichen Geſchoͤpfes hinreichenden Aufſchluß ge¬
ben. Folgende Stellen habe ich mir ihres ſelt¬
ſamen Inhaltes wegen abgeſchrieben und will ſie
dieſen Blaͤttern einverleiben und ſo die Erinne¬
rung an jenes Kind in meinen eigenen Erinnerungen
aufbewahren da ſie ſonſt verloren gehen wuͤrde.
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