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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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glänzendes Dorf vor sich zu sehen, wo sie Mittag halten wollten. Sie stiegen rasch hinunter, betraten dann aber ebenso sittsam diesen Ort, wie sie den vorigen verlassen. Es war Niemand um den Weg, der sie erkannt hätte; denn besonders Vrenchen war die letzten Jahre hindurch gar nicht unter die Leute und noch weniger in andere Dörfer gekommen. Deßhalb stellten sie ein wohlgefälliges, ehrsames Pärchen vor, das irgend einen angelegentlichen Gang thut. Sie gingen ins erste Wirthshaus des Dorfes, wo Sali ein erkleckliches Mahl bestellte; ein eigener Tisch wurde ihnen sonntäglich gedeckt, und sie saßen wieder still und bescheiden daran und beguckten die schön getäfelten Wände von gebohntem Nußbaumholz, das ländliche, aber glänzende und wohlhabende Büffet von gleichem Holze und die klaren weißen Fenstervorhänge. Die Wirthin trat zuthulich herzu und setzte ein Geschirr voll frischer Blumen aus den Tisch. Bis die Suppe kommt, sagte sie, könnt ihr, wenn es euch gefällig ist, einstweilen die Augen sättigen an dem Strauße. Allem Anschein nach, wenn es erlaubt ist zu fragen, seid ihr ein junges Brautpaar, das gewiß nach der Stadt geht, um sich morgen copuliren zulassen? -- Vrenchen wurde roth und wagte nicht aufzusehen, Sali sagte auch Nichts, und die Wirthin fuhr fort: Nun, ihr seid freilich noch wohl jung beide, aber jung geheirathet lebt lang, sagt man zuweilen, und ihr seht wenigstens hübsch und brav aus und braucht euch nicht zu verbergen. Ordentliche Leute können etwas

glänzendes Dorf vor sich zu sehen, wo sie Mittag halten wollten. Sie stiegen rasch hinunter, betraten dann aber ebenso sittsam diesen Ort, wie sie den vorigen verlassen. Es war Niemand um den Weg, der sie erkannt hätte; denn besonders Vrenchen war die letzten Jahre hindurch gar nicht unter die Leute und noch weniger in andere Dörfer gekommen. Deßhalb stellten sie ein wohlgefälliges, ehrsames Pärchen vor, das irgend einen angelegentlichen Gang thut. Sie gingen ins erste Wirthshaus des Dorfes, wo Sali ein erkleckliches Mahl bestellte; ein eigener Tisch wurde ihnen sonntäglich gedeckt, und sie saßen wieder still und bescheiden daran und beguckten die schön getäfelten Wände von gebohntem Nußbaumholz, das ländliche, aber glänzende und wohlhabende Büffet von gleichem Holze und die klaren weißen Fenstervorhänge. Die Wirthin trat zuthulich herzu und setzte ein Geschirr voll frischer Blumen aus den Tisch. Bis die Suppe kommt, sagte sie, könnt ihr, wenn es euch gefällig ist, einstweilen die Augen sättigen an dem Strauße. Allem Anschein nach, wenn es erlaubt ist zu fragen, seid ihr ein junges Brautpaar, das gewiß nach der Stadt geht, um sich morgen copuliren zulassen? — Vrenchen wurde roth und wagte nicht aufzusehen, Sali sagte auch Nichts, und die Wirthin fuhr fort: Nun, ihr seid freilich noch wohl jung beide, aber jung geheirathet lebt lang, sagt man zuweilen, und ihr seht wenigstens hübsch und brav aus und braucht euch nicht zu verbergen. Ordentliche Leute können etwas

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[0094] glänzendes Dorf vor sich zu sehen, wo sie Mittag halten wollten. Sie stiegen rasch hinunter, betraten dann aber ebenso sittsam diesen Ort, wie sie den vorigen verlassen. Es war Niemand um den Weg, der sie erkannt hätte; denn besonders Vrenchen war die letzten Jahre hindurch gar nicht unter die Leute und noch weniger in andere Dörfer gekommen. Deßhalb stellten sie ein wohlgefälliges, ehrsames Pärchen vor, das irgend einen angelegentlichen Gang thut. Sie gingen ins erste Wirthshaus des Dorfes, wo Sali ein erkleckliches Mahl bestellte; ein eigener Tisch wurde ihnen sonntäglich gedeckt, und sie saßen wieder still und bescheiden daran und beguckten die schön getäfelten Wände von gebohntem Nußbaumholz, das ländliche, aber glänzende und wohlhabende Büffet von gleichem Holze und die klaren weißen Fenstervorhänge. Die Wirthin trat zuthulich herzu und setzte ein Geschirr voll frischer Blumen aus den Tisch. Bis die Suppe kommt, sagte sie, könnt ihr, wenn es euch gefällig ist, einstweilen die Augen sättigen an dem Strauße. Allem Anschein nach, wenn es erlaubt ist zu fragen, seid ihr ein junges Brautpaar, das gewiß nach der Stadt geht, um sich morgen copuliren zulassen? — Vrenchen wurde roth und wagte nicht aufzusehen, Sali sagte auch Nichts, und die Wirthin fuhr fort: Nun, ihr seid freilich noch wohl jung beide, aber jung geheirathet lebt lang, sagt man zuweilen, und ihr seht wenigstens hübsch und brav aus und braucht euch nicht zu verbergen. Ordentliche Leute können etwas

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/94>, abgerufen am 23.11.2024.