Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.so gut er es verstand, das Maß, indem er den zierlichen Fuß der Länge und Breite nach umspannte mit dem Schnürchen und sorgfältig Knoten in dasselbe knüpfte. Du Schuhmacher! sagte Vrenchen und lachte erröthend und freundschaftlich zu ihm nieder. Sali wurde aber auch roth und hielt den Fuß fest in seinen Händen, länger als nöthig war, so daß Vrenchen ihn noch tiefer erröthend zurückzog, den verwirrten Sali aber noch einmal stürmisch umhals'te und küßte, dann aber fortschickte. Sobald er in der Stadt war, trug er seine Uhr zu einem Uhrmacher, der ihm sechs oder sieben Gulden dafür gab, für die silberne Kette bekam er auch einige Gulden, und er dünkte sich nun reich genug; denn er hatte, seit er groß war, nie so viel Geld besessen auf einmal. Wenn nur erst der Tag vorüber und der Sonntag angebrochen wäre, um das Glück damit zu erkaufen, das er sich von dem Tage versprach, dachte er; denn wenn das Uebermorgen auch um so dunkler und unbekannter hereinragte, so gewann die ersehnte Lustbarkeit von morgen nur einen seltsamern, erhöhtern Glanz und Schein. Indessen brachte er die Zeit noch leidlich hin, indem er ein Paar Schuhe für Vrenchen suchte, und dies war ihm das vergnügteste Geschäft, das er je betrieben. Er ging von einem Schuhmacher zum andern, ließ sich alle Weiberschuhe zeigen, die vorhanden waren und endlich handelte er ein leichtes und feines Paar ein, so hübsch, wie sie Vrenchen noch nie so gut er es verstand, das Maß, indem er den zierlichen Fuß der Länge und Breite nach umspannte mit dem Schnürchen und sorgfältig Knoten in dasselbe knüpfte. Du Schuhmacher! sagte Vrenchen und lachte erröthend und freundschaftlich zu ihm nieder. Sali wurde aber auch roth und hielt den Fuß fest in seinen Händen, länger als nöthig war, so daß Vrenchen ihn noch tiefer erröthend zurückzog, den verwirrten Sali aber noch einmal stürmisch umhals'te und küßte, dann aber fortschickte. Sobald er in der Stadt war, trug er seine Uhr zu einem Uhrmacher, der ihm sechs oder sieben Gulden dafür gab, für die silberne Kette bekam er auch einige Gulden, und er dünkte sich nun reich genug; denn er hatte, seit er groß war, nie so viel Geld besessen auf einmal. Wenn nur erst der Tag vorüber und der Sonntag angebrochen wäre, um das Glück damit zu erkaufen, das er sich von dem Tage versprach, dachte er; denn wenn das Uebermorgen auch um so dunkler und unbekannter hereinragte, so gewann die ersehnte Lustbarkeit von morgen nur einen seltsamern, erhöhtern Glanz und Schein. Indessen brachte er die Zeit noch leidlich hin, indem er ein Paar Schuhe für Vrenchen suchte, und dies war ihm das vergnügteste Geschäft, das er je betrieben. Er ging von einem Schuhmacher zum andern, ließ sich alle Weiberschuhe zeigen, die vorhanden waren und endlich handelte er ein leichtes und feines Paar ein, so hübsch, wie sie Vrenchen noch nie <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0078"/> so gut er es verstand, das Maß, indem er den zierlichen Fuß der Länge und Breite nach umspannte mit dem Schnürchen und sorgfältig Knoten in dasselbe knüpfte. Du Schuhmacher! sagte Vrenchen und lachte erröthend und freundschaftlich zu ihm nieder. Sali wurde aber auch roth und hielt den Fuß fest in seinen Händen, länger als nöthig war, so daß Vrenchen ihn noch tiefer erröthend zurückzog, den verwirrten Sali aber noch einmal stürmisch umhals'te und küßte, dann aber fortschickte.</p><lb/> <p>Sobald er in der Stadt war, trug er seine Uhr zu einem Uhrmacher, der ihm sechs oder sieben Gulden dafür gab, für die silberne Kette bekam er auch einige Gulden, und er dünkte sich nun reich genug; denn er hatte, seit er groß war, nie so viel Geld besessen auf einmal. Wenn nur erst der Tag vorüber und der Sonntag angebrochen wäre, um das Glück damit zu erkaufen, das er sich von dem Tage versprach, dachte er; denn wenn das Uebermorgen auch um so dunkler und unbekannter hereinragte, so gewann die ersehnte Lustbarkeit von morgen nur einen seltsamern, erhöhtern Glanz und Schein. Indessen brachte er die Zeit noch leidlich hin, indem er ein Paar Schuhe für Vrenchen suchte, und dies war ihm das vergnügteste Geschäft, das er je betrieben. Er ging von einem Schuhmacher zum andern, ließ sich alle Weiberschuhe zeigen, die vorhanden waren und endlich handelte er ein leichtes und feines Paar ein, so hübsch, wie sie Vrenchen noch nie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
so gut er es verstand, das Maß, indem er den zierlichen Fuß der Länge und Breite nach umspannte mit dem Schnürchen und sorgfältig Knoten in dasselbe knüpfte. Du Schuhmacher! sagte Vrenchen und lachte erröthend und freundschaftlich zu ihm nieder. Sali wurde aber auch roth und hielt den Fuß fest in seinen Händen, länger als nöthig war, so daß Vrenchen ihn noch tiefer erröthend zurückzog, den verwirrten Sali aber noch einmal stürmisch umhals'te und küßte, dann aber fortschickte.
Sobald er in der Stadt war, trug er seine Uhr zu einem Uhrmacher, der ihm sechs oder sieben Gulden dafür gab, für die silberne Kette bekam er auch einige Gulden, und er dünkte sich nun reich genug; denn er hatte, seit er groß war, nie so viel Geld besessen auf einmal. Wenn nur erst der Tag vorüber und der Sonntag angebrochen wäre, um das Glück damit zu erkaufen, das er sich von dem Tage versprach, dachte er; denn wenn das Uebermorgen auch um so dunkler und unbekannter hereinragte, so gewann die ersehnte Lustbarkeit von morgen nur einen seltsamern, erhöhtern Glanz und Schein. Indessen brachte er die Zeit noch leidlich hin, indem er ein Paar Schuhe für Vrenchen suchte, und dies war ihm das vergnügteste Geschäft, das er je betrieben. Er ging von einem Schuhmacher zum andern, ließ sich alle Weiberschuhe zeigen, die vorhanden waren und endlich handelte er ein leichtes und feines Paar ein, so hübsch, wie sie Vrenchen noch nie
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