Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

siehst ja aus wie der Tod im Häfelein und geht es mir doch so erfreulich! Die Füchsin schreit im Felde: Halleo, Halleo! das Herz thut ihr weho! hoho! -- Ein Aufseher gebot ihm Ruhe und führte ihn zu einer leichten Arbeit, und Vrenchen ging das Fuhrwerk aufzusuchen. Es setzte sich auf den Wagen, zog ein Stückchen Brod hervor und aß dasselbe; dann schlief es, bis der Bauer kam und mit ihm nach dem Dorfe zurückfuhr. Sie kamen erst in der Nacht an. Vrenchen ging nach dem Hause, in dem es geboren und nur zwei Tage bleiben durfte, und es war jetzt zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein darin. Es machte ein Feuer, um das letzte Restchen Kaffee zu kochen, das es noch besaß, und setzte sich auf den Herd; denn es war ihm ganz elendiglich zu Muth. Es sehnte sich und härmte sich ab, den Sali nur ein einziges Mal zu sehen, und dachte inbrünstig an ihn; aber die Sorgen und der Kummer verbitterten seine Sehnsucht, und diese machte die Sorgen wieder viel schwerer. So saß es und stützte den Kopf in die Hände, als Jemand durch die offenstehende Thür hereinkam. Sali! rief Vrenchen, als es aufsah, und fiel ihm um den Hals; dann sahen sich aber beide erschrocken an und riefen: Wie siehst du elend aus! Denn Sali sah nicht minder als Vrenchen bleich und abgezehrt aus. Alles vergessend zog sie ihn zu sich auf den Herd und sagte: Bist du krank gewesen, oder ist es dir auch so schlimm gegangen? -- Sali antwortete: Nein, ich bin gerade

siehst ja aus wie der Tod im Häfelein und geht es mir doch so erfreulich! Die Füchsin schreit im Felde: Halleo, Halleo! das Herz thut ihr weho! hoho! — Ein Aufseher gebot ihm Ruhe und führte ihn zu einer leichten Arbeit, und Vrenchen ging das Fuhrwerk aufzusuchen. Es setzte sich auf den Wagen, zog ein Stückchen Brod hervor und aß dasselbe; dann schlief es, bis der Bauer kam und mit ihm nach dem Dorfe zurückfuhr. Sie kamen erst in der Nacht an. Vrenchen ging nach dem Hause, in dem es geboren und nur zwei Tage bleiben durfte, und es war jetzt zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein darin. Es machte ein Feuer, um das letzte Restchen Kaffee zu kochen, das es noch besaß, und setzte sich auf den Herd; denn es war ihm ganz elendiglich zu Muth. Es sehnte sich und härmte sich ab, den Sali nur ein einziges Mal zu sehen, und dachte inbrünstig an ihn; aber die Sorgen und der Kummer verbitterten seine Sehnsucht, und diese machte die Sorgen wieder viel schwerer. So saß es und stützte den Kopf in die Hände, als Jemand durch die offenstehende Thür hereinkam. Sali! rief Vrenchen, als es aufsah, und fiel ihm um den Hals; dann sahen sich aber beide erschrocken an und riefen: Wie siehst du elend aus! Denn Sali sah nicht minder als Vrenchen bleich und abgezehrt aus. Alles vergessend zog sie ihn zu sich auf den Herd und sagte: Bist du krank gewesen, oder ist es dir auch so schlimm gegangen? — Sali antwortete: Nein, ich bin gerade

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0072"/>
siehst ja aus wie der Tod                im Häfelein und geht es mir doch so erfreulich! Die Füchsin schreit im Felde: Halleo,                Halleo! das Herz thut ihr weho! hoho! &#x2014; Ein Aufseher gebot ihm Ruhe und führte ihn zu                einer leichten Arbeit, und Vrenchen ging das Fuhrwerk aufzusuchen. Es setzte sich auf                den Wagen, zog ein Stückchen Brod hervor und aß dasselbe; dann schlief es, bis der                Bauer kam und mit ihm nach dem Dorfe zurückfuhr. Sie kamen erst in der Nacht an.                Vrenchen ging nach dem Hause, in dem es geboren und nur zwei Tage bleiben durfte, und                es war jetzt zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein darin. Es machte ein Feuer,                um das letzte Restchen Kaffee zu kochen, das es noch besaß, und setzte sich auf den                Herd; denn es war ihm ganz elendiglich zu Muth. Es sehnte sich und härmte sich ab,                den Sali nur ein einziges Mal zu sehen, und dachte inbrünstig an ihn; aber die Sorgen                und der Kummer verbitterten seine Sehnsucht, und diese machte die Sorgen wieder viel                schwerer. So saß es und stützte den Kopf in die Hände, als Jemand durch die                offenstehende Thür hereinkam. Sali! rief Vrenchen, als es aufsah, und fiel ihm um den                Hals; dann sahen sich aber beide erschrocken an und riefen: Wie siehst du elend aus!                Denn Sali sah nicht minder als Vrenchen bleich und abgezehrt aus. Alles vergessend                zog sie ihn zu sich auf den Herd und sagte: Bist du krank gewesen, oder ist es dir                auch so schlimm gegangen? &#x2014; Sali antwortete: Nein, ich bin gerade<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0072] siehst ja aus wie der Tod im Häfelein und geht es mir doch so erfreulich! Die Füchsin schreit im Felde: Halleo, Halleo! das Herz thut ihr weho! hoho! — Ein Aufseher gebot ihm Ruhe und führte ihn zu einer leichten Arbeit, und Vrenchen ging das Fuhrwerk aufzusuchen. Es setzte sich auf den Wagen, zog ein Stückchen Brod hervor und aß dasselbe; dann schlief es, bis der Bauer kam und mit ihm nach dem Dorfe zurückfuhr. Sie kamen erst in der Nacht an. Vrenchen ging nach dem Hause, in dem es geboren und nur zwei Tage bleiben durfte, und es war jetzt zum ersten Mal in seinem Leben ganz allein darin. Es machte ein Feuer, um das letzte Restchen Kaffee zu kochen, das es noch besaß, und setzte sich auf den Herd; denn es war ihm ganz elendiglich zu Muth. Es sehnte sich und härmte sich ab, den Sali nur ein einziges Mal zu sehen, und dachte inbrünstig an ihn; aber die Sorgen und der Kummer verbitterten seine Sehnsucht, und diese machte die Sorgen wieder viel schwerer. So saß es und stützte den Kopf in die Hände, als Jemand durch die offenstehende Thür hereinkam. Sali! rief Vrenchen, als es aufsah, und fiel ihm um den Hals; dann sahen sich aber beide erschrocken an und riefen: Wie siehst du elend aus! Denn Sali sah nicht minder als Vrenchen bleich und abgezehrt aus. Alles vergessend zog sie ihn zu sich auf den Herd und sagte: Bist du krank gewesen, oder ist es dir auch so schlimm gegangen? — Sali antwortete: Nein, ich bin gerade

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/72
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/72>, abgerufen am 24.11.2024.