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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Fische fangen, so hätte er einem ins Gesicht gespieen. Auch eilte er jetzt hastig an ihnen vorüber hinter ihren Rücken und eilte stromaufwärts gleich einem eigensinnigen Schatten der Unterwelt, der sich zu seiner Verdammniß ein bequemes einsames Plätzchen sucht an den dunkeln Wässern. Mit der Angelruthe zu stehen hatten er und sein Sohn indessen keine Geduld, und sie erinnerten sich der Art, wie die Bauern auf manche andere Weise etwa Fische fangen, wenn sie übermüthig sind, besonders mit den Händen in den Bächen; daher nahmen sie die Ruthen nur zum Schein mit und gingen an den Borden der Bäche hinauf, wo sie wußten, daß es theuere und gute Forellen gab.

Dem auf dem Lande zurückgebliebenen Marti ging es inzwischen auch immer schlimmer, und es war ihm höchst langweilig dabei, so daß er, anstatt auf seinem vernachlässigen Felde zu arbeiten, ebenfalls auf das Fischen verfiel und Tage lang im Wasser herumflotschte. Vrenchen durfte nicht von seiner Seite und mußte ihm Eimer und Geräth nachtragen durch nasse Wiesengründe, durch Bäche und Wassertümpel aller Art, bei Regen und Sonnenschein, indessen sie das Nothwendigste zu Hause liegen lassen mußte. Denn es war sonst keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiste Land schon verloren hatte und nur noch wenige Aecker besaß, die er mit seiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute.

So kam es, daß, als er eines Abends einen

Fische fangen, so hätte er einem ins Gesicht gespieen. Auch eilte er jetzt hastig an ihnen vorüber hinter ihren Rücken und eilte stromaufwärts gleich einem eigensinnigen Schatten der Unterwelt, der sich zu seiner Verdammniß ein bequemes einsames Plätzchen sucht an den dunkeln Wässern. Mit der Angelruthe zu stehen hatten er und sein Sohn indessen keine Geduld, und sie erinnerten sich der Art, wie die Bauern auf manche andere Weise etwa Fische fangen, wenn sie übermüthig sind, besonders mit den Händen in den Bächen; daher nahmen sie die Ruthen nur zum Schein mit und gingen an den Borden der Bäche hinauf, wo sie wußten, daß es theuere und gute Forellen gab.

Dem auf dem Lande zurückgebliebenen Marti ging es inzwischen auch immer schlimmer, und es war ihm höchst langweilig dabei, so daß er, anstatt auf seinem vernachlässigen Felde zu arbeiten, ebenfalls auf das Fischen verfiel und Tage lang im Wasser herumflotschte. Vrenchen durfte nicht von seiner Seite und mußte ihm Eimer und Geräth nachtragen durch nasse Wiesengründe, durch Bäche und Wassertümpel aller Art, bei Regen und Sonnenschein, indessen sie das Nothwendigste zu Hause liegen lassen mußte. Denn es war sonst keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiste Land schon verloren hatte und nur noch wenige Aecker besaß, die er mit seiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute.

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[0043] Fische fangen, so hätte er einem ins Gesicht gespieen. Auch eilte er jetzt hastig an ihnen vorüber hinter ihren Rücken und eilte stromaufwärts gleich einem eigensinnigen Schatten der Unterwelt, der sich zu seiner Verdammniß ein bequemes einsames Plätzchen sucht an den dunkeln Wässern. Mit der Angelruthe zu stehen hatten er und sein Sohn indessen keine Geduld, und sie erinnerten sich der Art, wie die Bauern auf manche andere Weise etwa Fische fangen, wenn sie übermüthig sind, besonders mit den Händen in den Bächen; daher nahmen sie die Ruthen nur zum Schein mit und gingen an den Borden der Bäche hinauf, wo sie wußten, daß es theuere und gute Forellen gab. Dem auf dem Lande zurückgebliebenen Marti ging es inzwischen auch immer schlimmer, und es war ihm höchst langweilig dabei, so daß er, anstatt auf seinem vernachlässigen Felde zu arbeiten, ebenfalls auf das Fischen verfiel und Tage lang im Wasser herumflotschte. Vrenchen durfte nicht von seiner Seite und mußte ihm Eimer und Geräth nachtragen durch nasse Wiesengründe, durch Bäche und Wassertümpel aller Art, bei Regen und Sonnenschein, indessen sie das Nothwendigste zu Hause liegen lassen mußte. Denn es war sonst keine Seele mehr da und wurde auch keine gebraucht, da Marti das meiste Land schon verloren hatte und nur noch wenige Aecker besaß, die er mit seiner Tochter liederlich genug oder gar nicht bebaute. So kam es, daß, als er eines Abends einen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/43>, abgerufen am 21.11.2024.