Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Anweisung, wie sie zählen solle, und so fing auch sie unzählige Mal von Neuem an, und das Spiel schien ihnen am besten zu gefallen von Allem, was sie heut unternommen. Endlich aber sank das Mädchen ganz auf den kleinen Rechenmeister nieder, und die Kinder schliefen ein in der hellen Mittagssonne. Inzwischen hatten die Väter ihre Aecker fertig gepflügt und in frischduftende braune Fläche umgewandelt. Als nun, mit der letzten Furche zu Ende gekommen, der Knecht des Einen halten wollte, rief sein Meister: Was hältst du? Kehr noch einmal um! -- Wir sind ja fertig! sagte der Knecht. -- Halt's Maul und thu, wie ich dir sage! der Meister. Und sie kehrten um und rissen eine tüchtige Furche in den mittleren herrenlosen Acker hinein, daß Kraut und Steine flogen. Der Bauer hielt sich aber nicht mit der Beseitigung derselben auf, er mochte denken, hiezu sei noch Zeit genug vorhanden, und er begnügte sich, für heute die Sache nur aus dem Gröbsten zu thun. So ging es rasch die Höhe empor in sanftem Bogen, und als man oben angelangt und das liebliche Windeswehen eben wieder den Kappenzipfel des Mannes zurückwarf, pflügte auf der anderen Seite der Nachbar vorüber mit dem Zipfel nach vorn und schnitt ebenfalls eine ansehnliche Furche vom mittleren Acker, daß die Schollen nur so zur Seite flogen. Jeder sah wohl, was der Andere that, aber keiner schien es zu sehen, und sie entschwanden sich wieder, indem jedes Sternbild still Anweisung, wie sie zählen solle, und so fing auch sie unzählige Mal von Neuem an, und das Spiel schien ihnen am besten zu gefallen von Allem, was sie heut unternommen. Endlich aber sank das Mädchen ganz auf den kleinen Rechenmeister nieder, und die Kinder schliefen ein in der hellen Mittagssonne. Inzwischen hatten die Väter ihre Aecker fertig gepflügt und in frischduftende braune Fläche umgewandelt. Als nun, mit der letzten Furche zu Ende gekommen, der Knecht des Einen halten wollte, rief sein Meister: Was hältst du? Kehr noch einmal um! — Wir sind ja fertig! sagte der Knecht. — Halt's Maul und thu, wie ich dir sage! der Meister. Und sie kehrten um und rissen eine tüchtige Furche in den mittleren herrenlosen Acker hinein, daß Kraut und Steine flogen. Der Bauer hielt sich aber nicht mit der Beseitigung derselben auf, er mochte denken, hiezu sei noch Zeit genug vorhanden, und er begnügte sich, für heute die Sache nur aus dem Gröbsten zu thun. So ging es rasch die Höhe empor in sanftem Bogen, und als man oben angelangt und das liebliche Windeswehen eben wieder den Kappenzipfel des Mannes zurückwarf, pflügte auf der anderen Seite der Nachbar vorüber mit dem Zipfel nach vorn und schnitt ebenfalls eine ansehnliche Furche vom mittleren Acker, daß die Schollen nur so zur Seite flogen. Jeder sah wohl, was der Andere that, aber keiner schien es zu sehen, und sie entschwanden sich wieder, indem jedes Sternbild still <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0020"/> Anweisung, wie sie zählen solle, und so fing auch sie unzählige Mal von Neuem an, und das Spiel schien ihnen am besten zu gefallen von Allem, was sie heut unternommen. Endlich aber sank das Mädchen ganz auf den kleinen Rechenmeister nieder, und die Kinder schliefen ein in der hellen Mittagssonne.</p><lb/> <p>Inzwischen hatten die Väter ihre Aecker fertig gepflügt und in frischduftende braune Fläche umgewandelt. Als nun, mit der letzten Furche zu Ende gekommen, der Knecht des Einen halten wollte, rief sein Meister: Was hältst du? Kehr noch einmal um! — Wir sind ja fertig! sagte der Knecht. — Halt's Maul und thu, wie ich dir sage! der Meister. Und sie kehrten um und rissen eine tüchtige Furche in den mittleren herrenlosen Acker hinein, daß Kraut und Steine flogen. Der Bauer hielt sich aber nicht mit der Beseitigung derselben auf, er mochte denken, hiezu sei noch Zeit genug vorhanden, und er begnügte sich, für heute die Sache nur aus dem Gröbsten zu thun. So ging es rasch die Höhe empor in sanftem Bogen, und als man oben angelangt und das liebliche Windeswehen eben wieder den Kappenzipfel des Mannes zurückwarf, pflügte auf der anderen Seite der Nachbar vorüber mit dem Zipfel nach vorn und schnitt ebenfalls eine ansehnliche Furche vom mittleren Acker, daß die Schollen nur so zur Seite flogen. Jeder sah wohl, was der Andere that, aber keiner schien es zu sehen, und sie entschwanden sich wieder, indem jedes Sternbild still<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Anweisung, wie sie zählen solle, und so fing auch sie unzählige Mal von Neuem an, und das Spiel schien ihnen am besten zu gefallen von Allem, was sie heut unternommen. Endlich aber sank das Mädchen ganz auf den kleinen Rechenmeister nieder, und die Kinder schliefen ein in der hellen Mittagssonne.
Inzwischen hatten die Väter ihre Aecker fertig gepflügt und in frischduftende braune Fläche umgewandelt. Als nun, mit der letzten Furche zu Ende gekommen, der Knecht des Einen halten wollte, rief sein Meister: Was hältst du? Kehr noch einmal um! — Wir sind ja fertig! sagte der Knecht. — Halt's Maul und thu, wie ich dir sage! der Meister. Und sie kehrten um und rissen eine tüchtige Furche in den mittleren herrenlosen Acker hinein, daß Kraut und Steine flogen. Der Bauer hielt sich aber nicht mit der Beseitigung derselben auf, er mochte denken, hiezu sei noch Zeit genug vorhanden, und er begnügte sich, für heute die Sache nur aus dem Gröbsten zu thun. So ging es rasch die Höhe empor in sanftem Bogen, und als man oben angelangt und das liebliche Windeswehen eben wieder den Kappenzipfel des Mannes zurückwarf, pflügte auf der anderen Seite der Nachbar vorüber mit dem Zipfel nach vorn und schnitt ebenfalls eine ansehnliche Furche vom mittleren Acker, daß die Schollen nur so zur Seite flogen. Jeder sah wohl, was der Andere that, aber keiner schien es zu sehen, und sie entschwanden sich wieder, indem jedes Sternbild still
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/20>, abgerufen am 16.02.2025. |