Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aber erwiderte ganz treuherzig und küßte ihn: Nein, dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge Mensch mit dem Waldhorn und das Mädchen in dem seidenen Rock gehören auch so zu einander und sollen sehr verliebt gewesen sein. Nun sei letzte Woche die Person ihm zum ersten Mal untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf wolle, und deßhalb sei er so traurig und schmolle mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen. Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem sie allein tanzt und mit Niemand spricht, und lacht ihn auch nur aus damit. Dem armen Musikanten sieht man es jedoch an, daß er sich noch heute mit ihr versöhnen wird. Wo es aber so hergeht, möchte ich nicht sein, denn nie möcht' ich dir untreu werden, wenn ich auch sonst noch Alles ertragen würde, um dich zu besitzen! -- Indessen aber fieberte das arme Vrenchen immer heftiger an Sali's Brust; denn schon seit dem Mittag wo jene Wirthin es für eine Braut gehalten und es eine solche ohne Widerrede vorgestellt, lohte ihm das Brautwesen im Blute, und je hoffnungsloser es war, um so wilder und unbezwinglicher. Dem Sali erging es eben so schlimm, da die Reden des Geigers, so wenig er ihnen folgen mochte, dennoch seinen Kopf verwirrten, und er sagte mit rathlos stockender Stimme: Komm herein, wir müssen wenigstens noch was essen und trinken. -- Sie gingen in die Gaststube, wo Niemand mehr war, als die kleine Gesellschaft der Hei- aber erwiderte ganz treuherzig und küßte ihn: Nein, dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge Mensch mit dem Waldhorn und das Mädchen in dem seidenen Rock gehören auch so zu einander und sollen sehr verliebt gewesen sein. Nun sei letzte Woche die Person ihm zum ersten Mal untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf wolle, und deßhalb sei er so traurig und schmolle mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen. Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem sie allein tanzt und mit Niemand spricht, und lacht ihn auch nur aus damit. Dem armen Musikanten sieht man es jedoch an, daß er sich noch heute mit ihr versöhnen wird. Wo es aber so hergeht, möchte ich nicht sein, denn nie möcht' ich dir untreu werden, wenn ich auch sonst noch Alles ertragen würde, um dich zu besitzen! — Indessen aber fieberte das arme Vrenchen immer heftiger an Sali's Brust; denn schon seit dem Mittag wo jene Wirthin es für eine Braut gehalten und es eine solche ohne Widerrede vorgestellt, lohte ihm das Brautwesen im Blute, und je hoffnungsloser es war, um so wilder und unbezwinglicher. Dem Sali erging es eben so schlimm, da die Reden des Geigers, so wenig er ihnen folgen mochte, dennoch seinen Kopf verwirrten, und er sagte mit rathlos stockender Stimme: Komm herein, wir müssen wenigstens noch was essen und trinken. — Sie gingen in die Gaststube, wo Niemand mehr war, als die kleine Gesellschaft der Hei- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0111"/> aber erwiderte ganz treuherzig und küßte ihn: Nein, dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge Mensch mit dem Waldhorn und das Mädchen in dem seidenen Rock gehören auch so zu einander und sollen sehr verliebt gewesen sein. Nun sei letzte Woche die Person ihm zum ersten Mal untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf wolle, und deßhalb sei er so traurig und schmolle mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen. Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem sie allein tanzt und mit Niemand spricht, und lacht ihn auch nur aus damit. Dem armen Musikanten sieht man es jedoch an, daß er sich noch heute mit ihr versöhnen wird. Wo es aber so hergeht, möchte ich nicht sein, denn nie möcht' ich dir untreu werden, wenn ich auch sonst noch Alles ertragen würde, um dich zu besitzen! — Indessen aber fieberte das arme Vrenchen immer heftiger an Sali's Brust; denn schon seit dem Mittag wo jene Wirthin es für eine Braut gehalten und es eine solche ohne Widerrede vorgestellt, lohte ihm das Brautwesen im Blute, und je hoffnungsloser es war, um so wilder und unbezwinglicher. Dem Sali erging es eben so schlimm, da die Reden des Geigers, so wenig er ihnen folgen mochte, dennoch seinen Kopf verwirrten, und er sagte mit rathlos stockender Stimme: Komm herein, wir müssen wenigstens noch was essen und trinken. — Sie gingen in die Gaststube, wo Niemand mehr war, als die kleine Gesellschaft der Hei-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0111]
aber erwiderte ganz treuherzig und küßte ihn: Nein, dahin möchte ich nicht gehen, denn da geht es auch nicht nach meinem Sinne zu. Der junge Mensch mit dem Waldhorn und das Mädchen in dem seidenen Rock gehören auch so zu einander und sollen sehr verliebt gewesen sein. Nun sei letzte Woche die Person ihm zum ersten Mal untreu geworden, was ihm nicht in den Kopf wolle, und deßhalb sei er so traurig und schmolle mit ihr und mit den Andern, die ihn auslachen. Sie aber thut eine muthwillige Buße, indem sie allein tanzt und mit Niemand spricht, und lacht ihn auch nur aus damit. Dem armen Musikanten sieht man es jedoch an, daß er sich noch heute mit ihr versöhnen wird. Wo es aber so hergeht, möchte ich nicht sein, denn nie möcht' ich dir untreu werden, wenn ich auch sonst noch Alles ertragen würde, um dich zu besitzen! — Indessen aber fieberte das arme Vrenchen immer heftiger an Sali's Brust; denn schon seit dem Mittag wo jene Wirthin es für eine Braut gehalten und es eine solche ohne Widerrede vorgestellt, lohte ihm das Brautwesen im Blute, und je hoffnungsloser es war, um so wilder und unbezwinglicher. Dem Sali erging es eben so schlimm, da die Reden des Geigers, so wenig er ihnen folgen mochte, dennoch seinen Kopf verwirrten, und er sagte mit rathlos stockender Stimme: Komm herein, wir müssen wenigstens noch was essen und trinken. — Sie gingen in die Gaststube, wo Niemand mehr war, als die kleine Gesellschaft der Hei-
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/111>, abgerufen am 01.08.2024. |