Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schriften, keine Ehre, kein Bett, nichts als euren guten Willen! Es ist gar nicht so übel bei uns, gesunde Luft und genug zu essen, wenn man thätig ist; die grünen Wälder sind unser Haus, wo wir uns lieb haben, wie es uns gefällt, und im Winter machen wir uns die wärmsten Schlupfwinkel oder kriechen wir Bauern ins warme Heu. Also kurz entschlossen, haltet gleich hier Hochzeit und kommt mit uns, dann seid ihr aller Sorgen los und habt euch für immer und ewiglich, so lang es euch gefällt wenigstens; denn alt werdet ihr bei unserem freien Leben, das könnt ihr glauben! Denkt nicht etwa, daß ich euch nachtragen will, was eure Alten an mir gethan! Nein! es macht mir zwar Vergnügen, euch da angekommen zu sehen, wo ihr seid; allein damit bin ich zufrieden, und werde euch behülflich und dienstfertig sein, wenn ihr mir folgt. -- Er sagte das wirklich in einem aufrichtigen und gemüthlichen Tone.--Nun, besinnt euch ein bischen, aber folget mir, wenn ich euch gut zum Rath bin! Laßt fahren die Welt und nehmet euch und fraget Niemandem was nach! Denkt an das lustige Hochzeitbett im tiefen Wald oder auf einem Heustock, wenn es euch zu kalt ist! -- Damit ging er ins Haus. Vrenchen zitterte in Sali's Armen, und dieser sagte: Was meinst du dazu? Mich dünkt, es wäre nicht übel, die ganze Welt in den Wind zu schlagen und uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schranken! -- Er sagte es aber mehr als einen verzweifelten Scherz, denn im Ernst. Vrenchen Schriften, keine Ehre, kein Bett, nichts als euren guten Willen! Es ist gar nicht so übel bei uns, gesunde Luft und genug zu essen, wenn man thätig ist; die grünen Wälder sind unser Haus, wo wir uns lieb haben, wie es uns gefällt, und im Winter machen wir uns die wärmsten Schlupfwinkel oder kriechen wir Bauern ins warme Heu. Also kurz entschlossen, haltet gleich hier Hochzeit und kommt mit uns, dann seid ihr aller Sorgen los und habt euch für immer und ewiglich, so lang es euch gefällt wenigstens; denn alt werdet ihr bei unserem freien Leben, das könnt ihr glauben! Denkt nicht etwa, daß ich euch nachtragen will, was eure Alten an mir gethan! Nein! es macht mir zwar Vergnügen, euch da angekommen zu sehen, wo ihr seid; allein damit bin ich zufrieden, und werde euch behülflich und dienstfertig sein, wenn ihr mir folgt. — Er sagte das wirklich in einem aufrichtigen und gemüthlichen Tone.—Nun, besinnt euch ein bischen, aber folget mir, wenn ich euch gut zum Rath bin! Laßt fahren die Welt und nehmet euch und fraget Niemandem was nach! Denkt an das lustige Hochzeitbett im tiefen Wald oder auf einem Heustock, wenn es euch zu kalt ist! — Damit ging er ins Haus. Vrenchen zitterte in Sali's Armen, und dieser sagte: Was meinst du dazu? Mich dünkt, es wäre nicht übel, die ganze Welt in den Wind zu schlagen und uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schranken! — Er sagte es aber mehr als einen verzweifelten Scherz, denn im Ernst. Vrenchen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0110"/> Schriften, keine Ehre, kein Bett, nichts als euren guten Willen! Es ist gar nicht so übel bei uns, gesunde Luft und genug zu essen, wenn man thätig ist; die grünen Wälder sind unser Haus, wo wir uns lieb haben, wie es uns gefällt, und im Winter machen wir uns die wärmsten Schlupfwinkel oder kriechen wir Bauern ins warme Heu. Also kurz entschlossen, haltet gleich hier Hochzeit und kommt mit uns, dann seid ihr aller Sorgen los und habt euch für immer und ewiglich, so lang es euch gefällt wenigstens; denn alt werdet ihr bei unserem freien Leben, das könnt ihr glauben! Denkt nicht etwa, daß ich euch nachtragen will, was eure Alten an mir gethan! Nein! es macht mir zwar Vergnügen, euch da angekommen zu sehen, wo ihr seid; allein damit bin ich zufrieden, und werde euch behülflich und dienstfertig sein, wenn ihr mir folgt. — Er sagte das wirklich in einem aufrichtigen und gemüthlichen Tone.—Nun, besinnt euch ein bischen, aber folget mir, wenn ich euch gut zum Rath bin! Laßt fahren die Welt und nehmet euch und fraget Niemandem was nach! Denkt an das lustige Hochzeitbett im tiefen Wald oder auf einem Heustock, wenn es euch zu kalt ist! — Damit ging er ins Haus. Vrenchen zitterte in Sali's Armen, und dieser sagte: Was meinst du dazu? Mich dünkt, es wäre nicht übel, die ganze Welt in den Wind zu schlagen und uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schranken! — Er sagte es aber mehr als einen verzweifelten Scherz, denn im Ernst. Vrenchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Schriften, keine Ehre, kein Bett, nichts als euren guten Willen! Es ist gar nicht so übel bei uns, gesunde Luft und genug zu essen, wenn man thätig ist; die grünen Wälder sind unser Haus, wo wir uns lieb haben, wie es uns gefällt, und im Winter machen wir uns die wärmsten Schlupfwinkel oder kriechen wir Bauern ins warme Heu. Also kurz entschlossen, haltet gleich hier Hochzeit und kommt mit uns, dann seid ihr aller Sorgen los und habt euch für immer und ewiglich, so lang es euch gefällt wenigstens; denn alt werdet ihr bei unserem freien Leben, das könnt ihr glauben! Denkt nicht etwa, daß ich euch nachtragen will, was eure Alten an mir gethan! Nein! es macht mir zwar Vergnügen, euch da angekommen zu sehen, wo ihr seid; allein damit bin ich zufrieden, und werde euch behülflich und dienstfertig sein, wenn ihr mir folgt. — Er sagte das wirklich in einem aufrichtigen und gemüthlichen Tone.—Nun, besinnt euch ein bischen, aber folget mir, wenn ich euch gut zum Rath bin! Laßt fahren die Welt und nehmet euch und fraget Niemandem was nach! Denkt an das lustige Hochzeitbett im tiefen Wald oder auf einem Heustock, wenn es euch zu kalt ist! — Damit ging er ins Haus. Vrenchen zitterte in Sali's Armen, und dieser sagte: Was meinst du dazu? Mich dünkt, es wäre nicht übel, die ganze Welt in den Wind zu schlagen und uns dafür zu lieben ohne Hinderniß und Schranken! — Er sagte es aber mehr als einen verzweifelten Scherz, denn im Ernst. Vrenchen
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/110>, abgerufen am 16.02.2025. |