Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.vorstellten und gänzlich verwittert waren. Auf dem Gesimse des Daches saßen rings herum kleine musicirende Engel mit dicken Köpfen und Bäuchen, den Triangel, die Geige, die Flöte, Cimbel und Tamburin spielend, ebenfalls aus Sandstein, und die Instrumente waren ursprünglich vergoldet gewesen. Die Decke inwendig, sowie die Brustwehr des Estrichs und das übrige Gemäuer des Hauses waren mit verwaschenen Frescomalereien bedeckt, welche lustige Engelschaaren, sowie singende und tanzende Heilige darstellten. Aber Alles war verwischt und undeutlich wie ein Traum und überdies reichlich mit Weinreben übersponnen, und blaue reifende Trauben hingen überall in dem Laube. Um das Haus herum standen verwilderte Kastanienbäume, und knorrige starke Rosenbüsche, auf eigene Hand fortlebend, standen da und dort so wild herum, wie anderswo die Hollunderbäume. Der Estrich diente zum Tanzsaal; als Sali mit Vrenchen daher kam, sahen sie schon von Weitem die Paare unter dem offenen Dache sich drehen, und rund um das Haus zechten und lärmten eine Menge lustiger Gäste. Vrenchen, welches andächtig und wehmüthig sein Liebeshaus trug, glich einer heiligen Kirchenpatronin auf alten Bildern, welche das Modell eines Domes oder Klosters auf der Hand hält, so sie gestiftet; aber aus der frommen Stiftung, die ihm im Sinne lag, konnte nichts werden. Als es aber die wilde Musik hörte, welche vom Estrich ertönte, vergaß es sein Leid und verlangte endlich Nichts, als mit Sali zu vorstellten und gänzlich verwittert waren. Auf dem Gesimse des Daches saßen rings herum kleine musicirende Engel mit dicken Köpfen und Bäuchen, den Triangel, die Geige, die Flöte, Cimbel und Tamburin spielend, ebenfalls aus Sandstein, und die Instrumente waren ursprünglich vergoldet gewesen. Die Decke inwendig, sowie die Brustwehr des Estrichs und das übrige Gemäuer des Hauses waren mit verwaschenen Frescomalereien bedeckt, welche lustige Engelschaaren, sowie singende und tanzende Heilige darstellten. Aber Alles war verwischt und undeutlich wie ein Traum und überdies reichlich mit Weinreben übersponnen, und blaue reifende Trauben hingen überall in dem Laube. Um das Haus herum standen verwilderte Kastanienbäume, und knorrige starke Rosenbüsche, auf eigene Hand fortlebend, standen da und dort so wild herum, wie anderswo die Hollunderbäume. Der Estrich diente zum Tanzsaal; als Sali mit Vrenchen daher kam, sahen sie schon von Weitem die Paare unter dem offenen Dache sich drehen, und rund um das Haus zechten und lärmten eine Menge lustiger Gäste. Vrenchen, welches andächtig und wehmüthig sein Liebeshaus trug, glich einer heiligen Kirchenpatronin auf alten Bildern, welche das Modell eines Domes oder Klosters auf der Hand hält, so sie gestiftet; aber aus der frommen Stiftung, die ihm im Sinne lag, konnte nichts werden. Als es aber die wilde Musik hörte, welche vom Estrich ertönte, vergaß es sein Leid und verlangte endlich Nichts, als mit Sali zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0103"/> vorstellten und gänzlich verwittert waren. Auf dem Gesimse des Daches saßen rings herum kleine musicirende Engel mit dicken Köpfen und Bäuchen, den Triangel, die Geige, die Flöte, Cimbel und Tamburin spielend, ebenfalls aus Sandstein, und die Instrumente waren ursprünglich vergoldet gewesen. Die Decke inwendig, sowie die Brustwehr des Estrichs und das übrige Gemäuer des Hauses waren mit verwaschenen Frescomalereien bedeckt, welche lustige Engelschaaren, sowie singende und tanzende Heilige darstellten. Aber Alles war verwischt und undeutlich wie ein Traum und überdies reichlich mit Weinreben übersponnen, und blaue reifende Trauben hingen überall in dem Laube. Um das Haus herum standen verwilderte Kastanienbäume, und knorrige starke Rosenbüsche, auf eigene Hand fortlebend, standen da und dort so wild herum, wie anderswo die Hollunderbäume. Der Estrich diente zum Tanzsaal; als Sali mit Vrenchen daher kam, sahen sie schon von Weitem die Paare unter dem offenen Dache sich drehen, und rund um das Haus zechten und lärmten eine Menge lustiger Gäste. Vrenchen, welches andächtig und wehmüthig sein Liebeshaus trug, glich einer heiligen Kirchenpatronin auf alten Bildern, welche das Modell eines Domes oder Klosters auf der Hand hält, so sie gestiftet; aber aus der frommen Stiftung, die ihm im Sinne lag, konnte nichts werden. Als es aber die wilde Musik hörte, welche vom Estrich ertönte, vergaß es sein Leid und verlangte endlich Nichts, als mit Sali zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
vorstellten und gänzlich verwittert waren. Auf dem Gesimse des Daches saßen rings herum kleine musicirende Engel mit dicken Köpfen und Bäuchen, den Triangel, die Geige, die Flöte, Cimbel und Tamburin spielend, ebenfalls aus Sandstein, und die Instrumente waren ursprünglich vergoldet gewesen. Die Decke inwendig, sowie die Brustwehr des Estrichs und das übrige Gemäuer des Hauses waren mit verwaschenen Frescomalereien bedeckt, welche lustige Engelschaaren, sowie singende und tanzende Heilige darstellten. Aber Alles war verwischt und undeutlich wie ein Traum und überdies reichlich mit Weinreben übersponnen, und blaue reifende Trauben hingen überall in dem Laube. Um das Haus herum standen verwilderte Kastanienbäume, und knorrige starke Rosenbüsche, auf eigene Hand fortlebend, standen da und dort so wild herum, wie anderswo die Hollunderbäume. Der Estrich diente zum Tanzsaal; als Sali mit Vrenchen daher kam, sahen sie schon von Weitem die Paare unter dem offenen Dache sich drehen, und rund um das Haus zechten und lärmten eine Menge lustiger Gäste. Vrenchen, welches andächtig und wehmüthig sein Liebeshaus trug, glich einer heiligen Kirchenpatronin auf alten Bildern, welche das Modell eines Domes oder Klosters auf der Hand hält, so sie gestiftet; aber aus der frommen Stiftung, die ihm im Sinne lag, konnte nichts werden. Als es aber die wilde Musik hörte, welche vom Estrich ertönte, vergaß es sein Leid und verlangte endlich Nichts, als mit Sali zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/103 |
Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/103>, abgerufen am 01.08.2024. |