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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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ein großer Unternehmer, Mr. James Stephen in Melbourne, nach dem in seinen
Ziegeleien angestellten Versuchen erklärte, die von ihm beschäftigten Arbeiter
leisteten in acht Stunden so viel Arbeit wie in zehn. Je länger der Arbeitstag,
desto stumpfer wird der Arbeiter, desto schlechter die Arbeitsleistung, desto zahl-
reicher die Unfälle usw. Dazu tritt die reißend schnelle Entfaltung des Maschinen-
wesens; die Unternehmer führen schneller laufende, bessere, größere Maschinerie
ein, ersetzen die Handarbeit durch die maschinelle. Daß dabei die kleinen Unter-
nehmer zu Grunde gehen, rascher zu Grunde gehen, als wenn der alte Schlen-
drian fortbestünde, ist nicht zu leugnen. Aber ihr Untergang ist besiegelt, und sie
gerade sind es zumeist, welche mit den kleinlichsten und schäbigsten Mitteln die
Arbeiter placken, um sich noch einige Zeit gegen den Großbetrieb zu behaupten.

Es ist nicht zu hoffen, daß der Normalarbeitstag die alle Bande sprengenden
Produktivkräfte fesseln, die Ueberproduktion beseitigen, der Arbeitslosigkeit ein
Ziel setzen werde. Dies vermag erst die grundstürzende Umwandlung der gesell-
schaftlichen Zustände. Aber er wird die Verelendeten vor dem Untergang, die
bessergestellten Arbeiter vor dem Sturz in die Tiefe bewahren, er wird die Spann-
kraft und Widerstandsfähigkeit der Arbeiterklasse erhöhen, er wird das Elend
der Arbeitslosigkeit zwar nicht aufheben, aber mildern. Nichts ist kennzeichnen-
der für die sittigenden Einflüsse der Verkürzung der Arbeitszeit wie der dadurch
gesteigerten Lohnsätze, als die amtlich festgestellte Tatsache, daß in allen austra-
lischen Kolonien, wo die achtstündige Arbeitszeit vorherrscht, die Trunksucht stetig
sich vermindert hatte, wie dies aus der Statistik des Verbrauchs geistiger Getränke,
der Schankläden und der Arretierungen wegen Trunkenheit hervorgeht. Die
Zahl der Verhaftungen wegen Trunkenheit fiel von 18,9 auf tausend Bewohner im
Jahre 1877 auf 9,4 im Jahre 1888. Jn Probegallonen beträgt der Alkoholver-
brauch auf den Kopf in Frankreich 5,10, in England 3,87, in Deutschland 3,08, in
Neuseeland 1,70 Gallonen. Die australischen Schankwirte haben am lebhaftesten
gegen den Achtstundentag agitiert, weil sie, wie ein Fachmann sagt, "von der
größeren Muße und besseren Lebensstellung der Arbeiter eine Schädigung ihrer
Geschäftsinteressen befürchteten." Ein Wink mit dem Zaunpfahl für die ver-
heuchelte Auffassung, welche aus der größeren Muße der Arbeiter Suff und
Lüderlichkeit wachsen sieht.

Jn vielen Jndustriezweigen wird zwar die Technik arbeitsparende Ma-
schinerie einführen, um eine Zufuhr neuer Arbeitskräfte zu ersparen, aber in
anderen nicht unmittelbar durch die Maschinerie bedrohten Gewerben, wie Bau-
handwerk usw., wird vielen Arbeitslosen Beschäftigung verschafft. Als die Bäcker
in der australischen Kolonie Victoria im Jahre 1882 die achtstündige Arbeitszeit
durchsetzten, fand ein Drittel der arbeitslosen Bäcker Verwendung, ohne daß die
Löhne sanken oder die Brotpreise stiegen. Doch weit bedeutsamer ist es, daß die
Produktion durch die gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit etwas beständiger,
gleichmäßiger über das ganze Jahr verteilt wird; auf diese Weise wird die Ueber-
arbeit und die daraus sich ergebende Arbeitslosigkeit verhütet. Die Löhne der
Arbeiter steigen durch die Verkürzung der Arbeitszeit, das Angebot von Händen,
die Schmutzkonkurrenz drückt nicht mehr auf den Arbeitsmarkt wie bisher. Der
Normalarbeitstag kräftigt den Proletarier, gibt ihm Muße zur Erholung, zur
Ausbildung, zur Teilnahme am gewerkschaftlichen, am politischen Leben, er macht
die Arbeiterklasse selbständiger und schlagfertiger.

Das über den Normalarbeitstag gesagte gilt doppelt und dreifach für den
Achtstundentag, welchen der geniale englische Sozialist und Vorkämpfer des Ar-
beiterschutzes, R. Owen, zum ersten Male im Jahre 1817, als "eine gerechte
Tagesarbeit" bezeichnet hat. Er besteht in Australien für eine Reihe von Ge-
werben, allerdings nicht durch die Gesetzgebung auferlegt, sondern unter außer-

ein großer Unternehmer, Mr. James Stephen in Melbourne, nach dem in seinen
Ziegeleien angestellten Versuchen erklärte, die von ihm beschäftigten Arbeiter
leisteten in acht Stunden so viel Arbeit wie in zehn. Je länger der Arbeitstag,
desto stumpfer wird der Arbeiter, desto schlechter die Arbeitsleistung, desto zahl-
reicher die Unfälle usw. Dazu tritt die reißend schnelle Entfaltung des Maschinen-
wesens; die Unternehmer führen schneller laufende, bessere, größere Maschinerie
ein, ersetzen die Handarbeit durch die maschinelle. Daß dabei die kleinen Unter-
nehmer zu Grunde gehen, rascher zu Grunde gehen, als wenn der alte Schlen-
drian fortbestünde, ist nicht zu leugnen. Aber ihr Untergang ist besiegelt, und sie
gerade sind es zumeist, welche mit den kleinlichsten und schäbigsten Mitteln die
Arbeiter placken, um sich noch einige Zeit gegen den Großbetrieb zu behaupten.

Es ist nicht zu hoffen, daß der Normalarbeitstag die alle Bande sprengenden
Produktivkräfte fesseln, die Ueberproduktion beseitigen, der Arbeitslosigkeit ein
Ziel setzen werde. Dies vermag erst die grundstürzende Umwandlung der gesell-
schaftlichen Zustände. Aber er wird die Verelendeten vor dem Untergang, die
bessergestellten Arbeiter vor dem Sturz in die Tiefe bewahren, er wird die Spann-
kraft und Widerstandsfähigkeit der Arbeiterklasse erhöhen, er wird das Elend
der Arbeitslosigkeit zwar nicht aufheben, aber mildern. Nichts ist kennzeichnen-
der für die sittigenden Einflüsse der Verkürzung der Arbeitszeit wie der dadurch
gesteigerten Lohnsätze, als die amtlich festgestellte Tatsache, daß in allen austra-
lischen Kolonien, wo die achtstündige Arbeitszeit vorherrscht, die Trunksucht stetig
sich vermindert hatte, wie dies aus der Statistik des Verbrauchs geistiger Getränke,
der Schankläden und der Arretierungen wegen Trunkenheit hervorgeht. Die
Zahl der Verhaftungen wegen Trunkenheit fiel von 18,9 auf tausend Bewohner im
Jahre 1877 auf 9,4 im Jahre 1888. Jn Probegallonen beträgt der Alkoholver-
brauch auf den Kopf in Frankreich 5,10, in England 3,87, in Deutschland 3,08, in
Neuseeland 1,70 Gallonen. Die australischen Schankwirte haben am lebhaftesten
gegen den Achtstundentag agitiert, weil sie, wie ein Fachmann sagt, „von der
größeren Muße und besseren Lebensstellung der Arbeiter eine Schädigung ihrer
Geschäftsinteressen befürchteten.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl für die ver-
heuchelte Auffassung, welche aus der größeren Muße der Arbeiter Suff und
Lüderlichkeit wachsen sieht.

Jn vielen Jndustriezweigen wird zwar die Technik arbeitsparende Ma-
schinerie einführen, um eine Zufuhr neuer Arbeitskräfte zu ersparen, aber in
anderen nicht unmittelbar durch die Maschinerie bedrohten Gewerben, wie Bau-
handwerk usw., wird vielen Arbeitslosen Beschäftigung verschafft. Als die Bäcker
in der australischen Kolonie Victoria im Jahre 1882 die achtstündige Arbeitszeit
durchsetzten, fand ein Drittel der arbeitslosen Bäcker Verwendung, ohne daß die
Löhne sanken oder die Brotpreise stiegen. Doch weit bedeutsamer ist es, daß die
Produktion durch die gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit etwas beständiger,
gleichmäßiger über das ganze Jahr verteilt wird; auf diese Weise wird die Ueber-
arbeit und die daraus sich ergebende Arbeitslosigkeit verhütet. Die Löhne der
Arbeiter steigen durch die Verkürzung der Arbeitszeit, das Angebot von Händen,
die Schmutzkonkurrenz drückt nicht mehr auf den Arbeitsmarkt wie bisher. Der
Normalarbeitstag kräftigt den Proletarier, gibt ihm Muße zur Erholung, zur
Ausbildung, zur Teilnahme am gewerkschaftlichen, am politischen Leben, er macht
die Arbeiterklasse selbständiger und schlagfertiger.

Das über den Normalarbeitstag gesagte gilt doppelt und dreifach für den
Achtstundentag, welchen der geniale englische Sozialist und Vorkämpfer des Ar-
beiterschutzes, R. Owen, zum ersten Male im Jahre 1817, als „eine gerechte
Tagesarbeit“ bezeichnet hat. Er besteht in Australien für eine Reihe von Ge-
werben, allerdings nicht durch die Gesetzgebung auferlegt, sondern unter außer-

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[58/0060] ein großer Unternehmer, Mr. James Stephen in Melbourne, nach dem in seinen Ziegeleien angestellten Versuchen erklärte, die von ihm beschäftigten Arbeiter leisteten in acht Stunden so viel Arbeit wie in zehn. Je länger der Arbeitstag, desto stumpfer wird der Arbeiter, desto schlechter die Arbeitsleistung, desto zahl- reicher die Unfälle usw. Dazu tritt die reißend schnelle Entfaltung des Maschinen- wesens; die Unternehmer führen schneller laufende, bessere, größere Maschinerie ein, ersetzen die Handarbeit durch die maschinelle. Daß dabei die kleinen Unter- nehmer zu Grunde gehen, rascher zu Grunde gehen, als wenn der alte Schlen- drian fortbestünde, ist nicht zu leugnen. Aber ihr Untergang ist besiegelt, und sie gerade sind es zumeist, welche mit den kleinlichsten und schäbigsten Mitteln die Arbeiter placken, um sich noch einige Zeit gegen den Großbetrieb zu behaupten. Es ist nicht zu hoffen, daß der Normalarbeitstag die alle Bande sprengenden Produktivkräfte fesseln, die Ueberproduktion beseitigen, der Arbeitslosigkeit ein Ziel setzen werde. Dies vermag erst die grundstürzende Umwandlung der gesell- schaftlichen Zustände. Aber er wird die Verelendeten vor dem Untergang, die bessergestellten Arbeiter vor dem Sturz in die Tiefe bewahren, er wird die Spann- kraft und Widerstandsfähigkeit der Arbeiterklasse erhöhen, er wird das Elend der Arbeitslosigkeit zwar nicht aufheben, aber mildern. Nichts ist kennzeichnen- der für die sittigenden Einflüsse der Verkürzung der Arbeitszeit wie der dadurch gesteigerten Lohnsätze, als die amtlich festgestellte Tatsache, daß in allen austra- lischen Kolonien, wo die achtstündige Arbeitszeit vorherrscht, die Trunksucht stetig sich vermindert hatte, wie dies aus der Statistik des Verbrauchs geistiger Getränke, der Schankläden und der Arretierungen wegen Trunkenheit hervorgeht. Die Zahl der Verhaftungen wegen Trunkenheit fiel von 18,9 auf tausend Bewohner im Jahre 1877 auf 9,4 im Jahre 1888. Jn Probegallonen beträgt der Alkoholver- brauch auf den Kopf in Frankreich 5,10, in England 3,87, in Deutschland 3,08, in Neuseeland 1,70 Gallonen. Die australischen Schankwirte haben am lebhaftesten gegen den Achtstundentag agitiert, weil sie, wie ein Fachmann sagt, „von der größeren Muße und besseren Lebensstellung der Arbeiter eine Schädigung ihrer Geschäftsinteressen befürchteten.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl für die ver- heuchelte Auffassung, welche aus der größeren Muße der Arbeiter Suff und Lüderlichkeit wachsen sieht. Jn vielen Jndustriezweigen wird zwar die Technik arbeitsparende Ma- schinerie einführen, um eine Zufuhr neuer Arbeitskräfte zu ersparen, aber in anderen nicht unmittelbar durch die Maschinerie bedrohten Gewerben, wie Bau- handwerk usw., wird vielen Arbeitslosen Beschäftigung verschafft. Als die Bäcker in der australischen Kolonie Victoria im Jahre 1882 die achtstündige Arbeitszeit durchsetzten, fand ein Drittel der arbeitslosen Bäcker Verwendung, ohne daß die Löhne sanken oder die Brotpreise stiegen. Doch weit bedeutsamer ist es, daß die Produktion durch die gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit etwas beständiger, gleichmäßiger über das ganze Jahr verteilt wird; auf diese Weise wird die Ueber- arbeit und die daraus sich ergebende Arbeitslosigkeit verhütet. Die Löhne der Arbeiter steigen durch die Verkürzung der Arbeitszeit, das Angebot von Händen, die Schmutzkonkurrenz drückt nicht mehr auf den Arbeitsmarkt wie bisher. Der Normalarbeitstag kräftigt den Proletarier, gibt ihm Muße zur Erholung, zur Ausbildung, zur Teilnahme am gewerkschaftlichen, am politischen Leben, er macht die Arbeiterklasse selbständiger und schlagfertiger. Das über den Normalarbeitstag gesagte gilt doppelt und dreifach für den Achtstundentag, welchen der geniale englische Sozialist und Vorkämpfer des Ar- beiterschutzes, R. Owen, zum ersten Male im Jahre 1817, als „eine gerechte Tagesarbeit“ bezeichnet hat. Er besteht in Australien für eine Reihe von Ge- werben, allerdings nicht durch die Gesetzgebung auferlegt, sondern unter außer-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-08T17:50:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-08T17:50:02Z)

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/60>, abgerufen am 12.12.2024.