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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Und wenn die Flüchtlinge ihr künftig Haus nicht kennen.
Hier lag der Greiß, der Mann, der Jüngling und das
Kind
Und die Geschöpfe, die der Jüngling lieb gewinnt,
Und Weiber, die der Gluth den Zierrath überließen,
Die nur den besten Mann ihr übrig Kleinod hießen.
Weit von dem Stolz entfernt, ward hier nicht an die
Pracht,
Nicht an die Eitelkeit und nicht an Rang gedacht.
Der Reich und Arme sah mit Furcht erfüllten Blicken,
Wenn nun der Pulverthurm in Millionen Stücken
Durch Hitz und Gluth zersprengt, würd in die Lüfte
fliehn,
Gegründet war die Furcht, die Flammen drohten ihn.
Doch da sie noch einmal sich schrecklich wenden wollten,
Ward von dem Ewigen ihr Schritt zurück gescholten.
Ihn jammerte des Volks, das draußen weinen saß
Und traurig seinen Zorn im Dampf und Feuer laß.
Er sprachs: die Flamme stand, so stand im rothen Meere
Die zahmgewordne Fluth, bis die erschrocknen Heere
Vom Hause Israel vor des Egypters Macht
Den unbenetzten Fuß ans trockne Land gebracht.
O du gebeugte Stadt! gesteh es Gott zur Ehre,
Sags deinen Kindern vor, daß es die Nachwelt höre!
Sprich, daß der Herr dein Gott von seinem Zorne lies,
Und daß ein Blick von ihm der Gluth die Gränzen wies,

Und wenn die Fluͤchtlinge ihr kuͤnftig Haus nicht kennen.
Hier lag der Greiß, der Mann, der Juͤngling und das
Kind
Und die Geſchoͤpfe, die der Juͤngling lieb gewinnt,
Und Weiber, die der Gluth den Zierrath uͤberließen,
Die nur den beſten Mann ihr uͤbrig Kleinod hießen.
Weit von dem Stolz entfernt, ward hier nicht an die
Pracht,
Nicht an die Eitelkeit und nicht an Rang gedacht.
Der Reich und Arme ſah mit Furcht erfuͤllten Blicken,
Wenn nun der Pulverthurm in Millionen Stuͤcken
Durch Hitz und Gluth zerſprengt, wuͤrd in die Luͤfte
fliehn,
Gegruͤndet war die Furcht, die Flammen drohten ihn.
Doch da ſie noch einmal ſich ſchrecklich wenden wollten,
Ward von dem Ewigen ihr Schritt zuruͤck geſcholten.
Ihn jammerte des Volks, das draußen weinen ſaß
Und traurig ſeinen Zorn im Dampf und Feuer laß.
Er ſprachs: die Flamme ſtand, ſo ſtand im rothen Meere
Die zahmgewordne Fluth, bis die erſchrocknen Heere
Vom Hauſe Iſrael vor des Egypters Macht
Den unbenetzten Fuß ans trockne Land gebracht.
O du gebeugte Stadt! geſteh es Gott zur Ehre,
Sags deinen Kindern vor, daß es die Nachwelt hoͤre!
Sprich, daß der Herr dein Gott von ſeinem Zorne lies,
Und daß ein Blick von ihm der Gluth die Graͤnzen wies,

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[372/0532] Und wenn die Fluͤchtlinge ihr kuͤnftig Haus nicht kennen. Hier lag der Greiß, der Mann, der Juͤngling und das Kind Und die Geſchoͤpfe, die der Juͤngling lieb gewinnt, Und Weiber, die der Gluth den Zierrath uͤberließen, Die nur den beſten Mann ihr uͤbrig Kleinod hießen. Weit von dem Stolz entfernt, ward hier nicht an die Pracht, Nicht an die Eitelkeit und nicht an Rang gedacht. Der Reich und Arme ſah mit Furcht erfuͤllten Blicken, Wenn nun der Pulverthurm in Millionen Stuͤcken Durch Hitz und Gluth zerſprengt, wuͤrd in die Luͤfte fliehn, Gegruͤndet war die Furcht, die Flammen drohten ihn. Doch da ſie noch einmal ſich ſchrecklich wenden wollten, Ward von dem Ewigen ihr Schritt zuruͤck geſcholten. Ihn jammerte des Volks, das draußen weinen ſaß Und traurig ſeinen Zorn im Dampf und Feuer laß. Er ſprachs: die Flamme ſtand, ſo ſtand im rothen Meere Die zahmgewordne Fluth, bis die erſchrocknen Heere Vom Hauſe Iſrael vor des Egypters Macht Den unbenetzten Fuß ans trockne Land gebracht. O du gebeugte Stadt! geſteh es Gott zur Ehre, Sags deinen Kindern vor, daß es die Nachwelt hoͤre! Sprich, daß der Herr dein Gott von ſeinem Zorne lies, Und daß ein Blick von ihm der Gluth die Graͤnzen wies,

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/532>, abgerufen am 22.11.2024.