Hier, wo vor langer Zeit die Kanzel und Altar In dem geweihten Schiff des Welterlösers war *): Hier, wo einst Frömmigkeit und Andacht niederknieten, Und durch Gebärd und Blick ihr betend Herz verriethen, Hier loderte die Gluth, schon ward der Markt erhitzt, Schon zitterte der Saal, wo die Versammlung sitzt, Die väterlich und treu dein wahres Wohl erwäget Und im beschloßnen Rath zum Grund dein Bestes leget. Schon ward der Thurm von ihr mit heißem Hauch berührt, Der weit entfernt von dir den Schritt des Wandrers führt. Doch die ergrimmte Gluth, die ließ sich nicht gelüsten Dir deinen Mittelpunkt das Rathhaus zu verwüsten. Mit großen Schritten ging nun die Verderberin Bis zum berufnen Thor und zu den Wällen hin, Wo einst mit kriegrischen, erobernden Vergnügen Im Angesicht der Nacht die Preussen dich erstiegen. Du stauntest, denn du sahst, es brannte Brück und Thor Und auf dem Lande stieg ein dicker Dampf empor. Voll Angst und Flammen stand das schönste deiner Dörfer, So wie ein feindlich Heer durch schnelle Feuerwerfer
*) Das Königl. große Provianthaus, ehedem aber, und zwar von 1643 bis 1651, war es unter der Benennung des Schifflein Christi, eine Kirche für die Evangelische Gemeinde.
Hier, wo vor langer Zeit die Kanzel und Altar In dem geweihten Schiff des Welterloͤſers war *): Hier, wo einſt Froͤmmigkeit und Andacht niederknieten, Und durch Gebaͤrd und Blick ihr betend Herz verriethen, Hier loderte die Gluth, ſchon ward der Markt erhitzt, Schon zitterte der Saal, wo die Verſammlung ſitzt, Die vaͤterlich und treu dein wahres Wohl erwaͤget Und im beſchloßnen Rath zum Grund dein Beſtes leget. Schon ward der Thurm von ihr mit heißem Hauch beruͤhrt, Der weit entfernt von dir den Schritt des Wandrers fuͤhrt. Doch die ergrimmte Gluth, die ließ ſich nicht geluͤſten Dir deinen Mittelpunkt das Rathhaus zu verwuͤſten. Mit großen Schritten ging nun die Verderberin Bis zum berufnen Thor und zu den Waͤllen hin, Wo einſt mit kriegriſchen, erobernden Vergnuͤgen Im Angeſicht der Nacht die Preuſſen dich erſtiegen. Du ſtaunteſt, denn du ſahſt, es brannte Bruͤck und Thor Und auf dem Lande ſtieg ein dicker Dampf empor. Voll Angſt und Flammen ſtand das ſchoͤnſte deiner Doͤrfer, So wie ein feindlich Heer durch ſchnelle Feuerwerfer
*) Das Koͤnigl. große Provianthaus, ehedem aber, und zwar von 1643 bis 1651, war es unter der Benennung des Schifflein Chriſti, eine Kirche fuͤr die Evangeliſche Gemeinde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0530"n="370"/><l>Hier, wo vor langer Zeit die Kanzel und Altar</l><lb/><l>In dem geweihten Schiff des Welterloͤſers war <noteplace="foot"n="*)">Das Koͤnigl. große Provianthaus, ehedem aber, und zwar<lb/>
von 1643 bis 1651, war es unter der Benennung des<lb/>
Schifflein Chriſti, eine Kirche fuͤr die Evangeliſche Gemeinde.</note>:</l><lb/><l>Hier, wo einſt Froͤmmigkeit und Andacht niederknieten,</l><lb/><l>Und durch Gebaͤrd und Blick ihr betend Herz verriethen,</l><lb/><l>Hier loderte die Gluth, ſchon ward der Markt erhitzt,</l><lb/><l>Schon zitterte der Saal, wo die Verſammlung ſitzt,</l><lb/><l>Die vaͤterlich und treu dein wahres Wohl erwaͤget</l><lb/><l>Und im beſchloßnen Rath zum Grund dein Beſtes leget.</l><lb/><l>Schon ward der Thurm von ihr mit heißem Hauch</l><lb/><l>beruͤhrt,</l><lb/><l>Der weit entfernt von dir den Schritt des Wandrers</l><lb/><l>fuͤhrt.</l><lb/><l>Doch die ergrimmte Gluth, die ließ ſich nicht geluͤſten</l><lb/><l>Dir deinen Mittelpunkt das Rathhaus zu verwuͤſten.</l><lb/><l>Mit großen Schritten ging nun die Verderberin</l><lb/><l>Bis zum berufnen Thor und zu den Waͤllen hin,</l><lb/><l>Wo einſt mit kriegriſchen, erobernden Vergnuͤgen</l><lb/><l>Im Angeſicht der Nacht die Preuſſen dich erſtiegen.</l><lb/><l>Du ſtaunteſt, denn du ſahſt, es brannte Bruͤck und Thor</l><lb/><l>Und auf dem Lande ſtieg ein dicker Dampf empor.</l><lb/><l>Voll Angſt und Flammen ſtand das ſchoͤnſte deiner</l><lb/><l>Doͤrfer,</l><lb/><l>So wie ein feindlich Heer durch ſchnelle Feuerwerfer</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[370/0530]
Hier, wo vor langer Zeit die Kanzel und Altar
In dem geweihten Schiff des Welterloͤſers war *):
Hier, wo einſt Froͤmmigkeit und Andacht niederknieten,
Und durch Gebaͤrd und Blick ihr betend Herz verriethen,
Hier loderte die Gluth, ſchon ward der Markt erhitzt,
Schon zitterte der Saal, wo die Verſammlung ſitzt,
Die vaͤterlich und treu dein wahres Wohl erwaͤget
Und im beſchloßnen Rath zum Grund dein Beſtes leget.
Schon ward der Thurm von ihr mit heißem Hauch
beruͤhrt,
Der weit entfernt von dir den Schritt des Wandrers
fuͤhrt.
Doch die ergrimmte Gluth, die ließ ſich nicht geluͤſten
Dir deinen Mittelpunkt das Rathhaus zu verwuͤſten.
Mit großen Schritten ging nun die Verderberin
Bis zum berufnen Thor und zu den Waͤllen hin,
Wo einſt mit kriegriſchen, erobernden Vergnuͤgen
Im Angeſicht der Nacht die Preuſſen dich erſtiegen.
Du ſtaunteſt, denn du ſahſt, es brannte Bruͤck und Thor
Und auf dem Lande ſtieg ein dicker Dampf empor.
Voll Angſt und Flammen ſtand das ſchoͤnſte deiner
Doͤrfer,
So wie ein feindlich Heer durch ſchnelle Feuerwerfer
*) Das Koͤnigl. große Provianthaus, ehedem aber, und zwar
von 1643 bis 1651, war es unter der Benennung des
Schifflein Chriſti, eine Kirche fuͤr die Evangeliſche Gemeinde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/530>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.