In großen Ritzen, aufzutrinken den salzigen Strom ihrer Augen. Dazumal rieselten kleine Bäche in dem Herzen der Phillis Und zween kostbare Thränen, gleich den Thautropfen, Die auf Rosen zittern, flossen auf den Aurorfarbnen Wangen nieder in ihren Lilienbusen. Hülfreich bot sie Ihre Rechte der mattgeächzten Hirtin, und führte sie Zurück. Ihre Kinder wankten um sie her. So kommen Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermö- gende Blökende Lämmer hinter den Schaafmüttern, und tragen Den Tod in erstarreten Knöcheln. Jezt waren Phillis Und die Verlaßnen in einer armseligen Hütte.
Sie zog aus ihrer Tasche hervor, Feigen, und Rosinen Und zween erquickende Aepfel, und stärkte mit Reden Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr, Um das Herz der besten Schäfer zum Mitleid Gegen die Bedürftige zu schmelzen. Ein so edler Vorsatz Gelung ihr. Die Schäfer gaben zusammen, und Phillis Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt Derer, die alles verloren hatten. Unsere Vorfahren Haben erzählet von einem Lautenspieler, der die Wellen Und die Meerfische horchend gemacht. Deine Geliebte,
In großen Ritzen, aufzutrinken den ſalzigen Strom ihrer Augen. Dazumal rieſelten kleine Baͤche in dem Herzen der Phillis Und zween koſtbare Thraͤnen, gleich den Thautropfen, Die auf Roſen zittern, floſſen auf den Aurorfarbnen Wangen nieder in ihren Lilienbuſen. Huͤlfreich bot ſie Ihre Rechte der mattgeaͤchzten Hirtin, und fuͤhrte ſie Zuruͤck. Ihre Kinder wankten um ſie her. So kommen Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermoͤ- gende Bloͤkende Laͤmmer hinter den Schaafmuͤttern, und tragen Den Tod in erſtarreten Knoͤcheln. Jezt waren Phillis Und die Verlaßnen in einer armſeligen Huͤtte.
Sie zog aus ihrer Taſche hervor, Feigen, und Roſinen Und zween erquickende Aepfel, und ſtaͤrkte mit Reden Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr, Um das Herz der beſten Schaͤfer zum Mitleid Gegen die Beduͤrftige zu ſchmelzen. Ein ſo edler Vorſatz Gelung ihr. Die Schaͤfer gaben zuſammen, und Phillis Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt Derer, die alles verloren hatten. Unſere Vorfahren Haben erzaͤhlet von einem Lautenſpieler, der die Wellen Und die Meerfiſche horchend gemacht. Deine Geliebte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0443"n="283"/><l>In großen Ritzen, aufzutrinken den ſalzigen Strom</l><lb/><l>ihrer Augen.</l><lb/><l>Dazumal rieſelten kleine Baͤche in dem Herzen der</l><lb/><l>Phillis</l><lb/><l>Und zween koſtbare Thraͤnen, gleich den Thautropfen,</l><lb/><l>Die auf Roſen zittern, floſſen auf den Aurorfarbnen</l><lb/><l>Wangen nieder in ihren Lilienbuſen. Huͤlfreich bot ſie</l><lb/><l>Ihre Rechte der mattgeaͤchzten Hirtin, und fuͤhrte ſie</l><lb/><l>Zuruͤck. Ihre Kinder wankten um ſie her. So kommen</l><lb/><l>Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermoͤ-</l><lb/><l>gende</l><lb/><l>Bloͤkende Laͤmmer hinter den Schaafmuͤttern, und</l><lb/><l>tragen</l><lb/><l>Den Tod in erſtarreten Knoͤcheln. Jezt waren Phillis</l><lb/><l>Und die Verlaßnen in einer armſeligen Huͤtte.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Sie zog aus ihrer Taſche hervor, Feigen, und Roſinen</l><lb/><l>Und zween erquickende Aepfel, und ſtaͤrkte mit Reden</l><lb/><l>Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr,</l><lb/><l>Um das Herz der beſten Schaͤfer zum Mitleid</l><lb/><l>Gegen die Beduͤrftige zu ſchmelzen. Ein ſo edler Vorſatz</l><lb/><l>Gelung ihr. Die Schaͤfer gaben zuſammen, und Phillis</l><lb/><l>Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt</l><lb/><l>Derer, die alles verloren hatten. Unſere Vorfahren</l><lb/><l>Haben erzaͤhlet von einem Lautenſpieler, der die Wellen</l><lb/><l>Und die Meerfiſche horchend gemacht. Deine Geliebte,</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[283/0443]
In großen Ritzen, aufzutrinken den ſalzigen Strom
ihrer Augen.
Dazumal rieſelten kleine Baͤche in dem Herzen der
Phillis
Und zween koſtbare Thraͤnen, gleich den Thautropfen,
Die auf Roſen zittern, floſſen auf den Aurorfarbnen
Wangen nieder in ihren Lilienbuſen. Huͤlfreich bot ſie
Ihre Rechte der mattgeaͤchzten Hirtin, und fuͤhrte ſie
Zuruͤck. Ihre Kinder wankten um ſie her. So kommen
Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermoͤ-
gende
Bloͤkende Laͤmmer hinter den Schaafmuͤttern, und
tragen
Den Tod in erſtarreten Knoͤcheln. Jezt waren Phillis
Und die Verlaßnen in einer armſeligen Huͤtte.
Sie zog aus ihrer Taſche hervor, Feigen, und Roſinen
Und zween erquickende Aepfel, und ſtaͤrkte mit Reden
Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr,
Um das Herz der beſten Schaͤfer zum Mitleid
Gegen die Beduͤrftige zu ſchmelzen. Ein ſo edler Vorſatz
Gelung ihr. Die Schaͤfer gaben zuſammen, und Phillis
Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt
Derer, die alles verloren hatten. Unſere Vorfahren
Haben erzaͤhlet von einem Lautenſpieler, der die Wellen
Und die Meerfiſche horchend gemacht. Deine Geliebte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/443>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.