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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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So bald er auf dem goldnen Thron
Die Schwindel bringende zu steile Höh bestiegen,
Alsdann vereinet sich die Ehre mit der Macht,
Der junge Herrscher wünscht den Nachbar zu
bekriegen,
Am Tage denket er den Plan zu Feldeszügen
Und träumet vor dem Zug die Schlacht,
Wirbt Jünglinge zu seinen Fahnen,
Legt Schatzung auf die Unterthanen,
Und glaubet keinen Gott als sich,
Macht durch Befehl und schnelle Strafen
Sein Ansehn drohend fürchterlich,
Und wird doch niemals froh wie Einer bei den
Schafen
Und Ziegen seines Landes lebt,
Der nie nach größerm Raum des kleinen Ackers strebt,
Zufrieden ist mit seinem Garten
Und von dem unverschnittnen hohen Apfelbaum
Die reifen Früchte bricht und nicht des Weines
Arten
Zu unterscheiden weiß wie Fürsten mit dem zarten
Zur Kitzelung gewöhnten Gaum.
O Freundin, als die Welt noch keine Fürsten
brauchte,
Als noch der Frühlingswind in keine Blumen hauchte,
Die ein gedingter Arm begossen und gepflanzt,
So bald er auf dem goldnen Thron
Die Schwindel bringende zu ſteile Hoͤh beſtiegen,
Alsdann vereinet ſich die Ehre mit der Macht,
Der junge Herrſcher wuͤnſcht den Nachbar zu
bekriegen,
Am Tage denket er den Plan zu Feldeszuͤgen
Und traͤumet vor dem Zug die Schlacht,
Wirbt Juͤnglinge zu ſeinen Fahnen,
Legt Schatzung auf die Unterthanen,
Und glaubet keinen Gott als ſich,
Macht durch Befehl und ſchnelle Strafen
Sein Anſehn drohend fuͤrchterlich,
Und wird doch niemals froh wie Einer bei den
Schafen
Und Ziegen ſeines Landes lebt,
Der nie nach groͤßerm Raum des kleinen Ackers ſtrebt,
Zufrieden iſt mit ſeinem Garten
Und von dem unverſchnittnen hohen Apfelbaum
Die reifen Fruͤchte bricht und nicht des Weines
Arten
Zu unterſcheiden weiß wie Fuͤrſten mit dem zarten
Zur Kitzelung gewoͤhnten Gaum.
O Freundin, als die Welt noch keine Fuͤrſten
brauchte,
Als noch der Fruͤhlingswind in keine Blumen hauchte,
Die ein gedingter Arm begoſſen und gepflanzt,
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[258/0418] So bald er auf dem goldnen Thron Die Schwindel bringende zu ſteile Hoͤh beſtiegen, Alsdann vereinet ſich die Ehre mit der Macht, Der junge Herrſcher wuͤnſcht den Nachbar zu bekriegen, Am Tage denket er den Plan zu Feldeszuͤgen Und traͤumet vor dem Zug die Schlacht, Wirbt Juͤnglinge zu ſeinen Fahnen, Legt Schatzung auf die Unterthanen, Und glaubet keinen Gott als ſich, Macht durch Befehl und ſchnelle Strafen Sein Anſehn drohend fuͤrchterlich, Und wird doch niemals froh wie Einer bei den Schafen Und Ziegen ſeines Landes lebt, Der nie nach groͤßerm Raum des kleinen Ackers ſtrebt, Zufrieden iſt mit ſeinem Garten Und von dem unverſchnittnen hohen Apfelbaum Die reifen Fruͤchte bricht und nicht des Weines Arten Zu unterſcheiden weiß wie Fuͤrſten mit dem zarten Zur Kitzelung gewoͤhnten Gaum. O Freundin, als die Welt noch keine Fuͤrſten brauchte, Als noch der Fruͤhlingswind in keine Blumen hauchte, Die ein gedingter Arm begoſſen und gepflanzt,

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/418>, abgerufen am 22.11.2024.