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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Man nichts von dem, was die Natur
Ihm mitgegeben zum Geschenke,
Als er der Dunkelheit entfuhr.
Man sieht nicht, daß er besser denke
Wie mancher, den sie schön gemacht.
Er scheinet uns so gar zuwider,
So bald er freundlich thut und lacht.
Und doch verdient er funfzig Lieder
Von wegen seiner Frömmigkeit.
Die Tugend hat von seinen Thaten
Gewiß noch keine nicht gescheut.
Den Weg, auf den die Spötter traten,
Vermied er immer, und die Bahn
Der Gottsvergeßnen und die Freuden
Der Jünglinge, die Lust auf Lust
Verschlucken und ihr Auge weiden
An Dingen die vergänglich sind.

Er spannte sein ererbtes Rind
Am Pflug, den er sich selber machte,
Genoß, was Feld und Garten brachte,
War stets zufrieden, war vergnügt
Mit seinen selbstgezeugten Rüben
Bis Rußlands Völker uns bekriegt
Und manchen Landmann fortgetrieben.
Da ward sein kleines Glück zerstört.
P 2

Man nichts von dem, was die Natur
Ihm mitgegeben zum Geſchenke,
Als er der Dunkelheit entfuhr.
Man ſieht nicht, daß er beſſer denke
Wie mancher, den ſie ſchoͤn gemacht.
Er ſcheinet uns ſo gar zuwider,
So bald er freundlich thut und lacht.
Und doch verdient er funfzig Lieder
Von wegen ſeiner Froͤmmigkeit.
Die Tugend hat von ſeinen Thaten
Gewiß noch keine nicht geſcheut.
Den Weg, auf den die Spoͤtter traten,
Vermied er immer, und die Bahn
Der Gottsvergeßnen und die Freuden
Der Juͤnglinge, die Luſt auf Luſt
Verſchlucken und ihr Auge weiden
An Dingen die vergaͤnglich ſind.

Er ſpannte ſein ererbtes Rind
Am Pflug, den er ſich ſelber machte,
Genoß, was Feld und Garten brachte,
War ſtets zufrieden, war vergnuͤgt
Mit ſeinen ſelbſtgezeugten Ruͤben
Bis Rußlands Voͤlker uns bekriegt
Und manchen Landmann fortgetrieben.
Da ward ſein kleines Gluͤck zerſtoͤrt.
P 2
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[227/0387] Man nichts von dem, was die Natur Ihm mitgegeben zum Geſchenke, Als er der Dunkelheit entfuhr. Man ſieht nicht, daß er beſſer denke Wie mancher, den ſie ſchoͤn gemacht. Er ſcheinet uns ſo gar zuwider, So bald er freundlich thut und lacht. Und doch verdient er funfzig Lieder Von wegen ſeiner Froͤmmigkeit. Die Tugend hat von ſeinen Thaten Gewiß noch keine nicht geſcheut. Den Weg, auf den die Spoͤtter traten, Vermied er immer, und die Bahn Der Gottsvergeßnen und die Freuden Der Juͤnglinge, die Luſt auf Luſt Verſchlucken und ihr Auge weiden An Dingen die vergaͤnglich ſind. Er ſpannte ſein ererbtes Rind Am Pflug, den er ſich ſelber machte, Genoß, was Feld und Garten brachte, War ſtets zufrieden, war vergnuͤgt Mit ſeinen ſelbſtgezeugten Ruͤben Bis Rußlands Voͤlker uns bekriegt Und manchen Landmann fortgetrieben. Da ward ſein kleines Gluͤck zerſtoͤrt. P 2

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/387>, abgerufen am 24.11.2024.