Aspan, ein Edelmann, gewohnt zum Zeitvertreib, Verirrte dann und wann sich zu des Dieners Weib, Denn sie war jung und schön -- Wie? Was trieb denn Aspanen Zu Weibern seiner Unterthanen? Hat er denn selbst kein Weib? Ja, er hat eine Frau; Doch welcher Mensch wird alt und grau, Ohn' mehr als einerlei von Speise zu genießen? Wer kann denn ewig nur auf Einem Munde küssen? Zum wenigsten kann dieses nicht Aspan. Einst trift sein Diener ihn bei seinem Weibe an: Herr! spricht er, sagt mir doch, was euch zu Andern treibet, Warum ihr mit dem Kuß bei eurer Frau nicht bleibet? Der Edelmann lacht laut und spricht: du bist ein Thor, Ein neuer Kuß kommt uns wie neue Speise vor, Der Wechsel ist gewiß das schönste Ding auf Erden, Denn immer einerlei muß uns zum Ekel werden. Hans hört es an und schüttelt mit dem Kopf, Denn Hanns der war ein dummer Tropf.
Sein
Das beſtaͤndige Einerlei.
1759.
Aſpan, ein Edelmann, gewohnt zum Zeitvertreib, Verirrte dann und wann ſich zu des Dieners Weib, Denn ſie war jung und ſchoͤn — Wie? Was trieb denn Aſpanen Zu Weibern ſeiner Unterthanen? Hat er denn ſelbſt kein Weib? Ja, er hat eine Frau; Doch welcher Menſch wird alt und grau, Ohn’ mehr als einerlei von Speiſe zu genießen? Wer kann denn ewig nur auf Einem Munde kuͤſſen? Zum wenigſten kann dieſes nicht Aſpan. Einſt trift ſein Diener ihn bei ſeinem Weibe an: Herr! ſpricht er, ſagt mir doch, was euch zu Andern treibet, Warum ihr mit dem Kuß bei eurer Frau nicht bleibet? Der Edelmann lacht laut und ſpricht: du biſt ein Thor, Ein neuer Kuß kommt uns wie neue Speiſe vor, Der Wechſel iſt gewiß das ſchoͤnſte Ding auf Erden, Denn immer einerlei muß uns zum Ekel werden. Hans hoͤrt es an und ſchuͤttelt mit dem Kopf, Denn Hanns der war ein dummer Tropf.
Sein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0384"n="224"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Das beſtaͤndige Einerlei</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><dateline><hirendition="#c">1759.</hi></dateline><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">A</hi>ſpan, ein Edelmann, gewohnt zum Zeitvertreib,</l><lb/><l>Verirrte dann und wann ſich zu des Dieners Weib,</l><lb/><l>Denn ſie war jung und ſchoͤn — Wie? Was trieb denn</l><lb/><l>Aſpanen</l><lb/><l>Zu Weibern ſeiner Unterthanen?</l><lb/><l>Hat er denn ſelbſt kein Weib? Ja, er hat eine Frau;</l><lb/><l>Doch welcher Menſch wird alt und grau,</l><lb/><l>Ohn’ mehr als einerlei von Speiſe zu genießen?</l><lb/><l>Wer kann denn ewig nur auf Einem Munde kuͤſſen?</l><lb/><l>Zum wenigſten kann dieſes nicht Aſpan.</l><lb/><l>Einſt trift ſein Diener ihn bei ſeinem Weibe an:</l><lb/><l>Herr! ſpricht er, ſagt mir doch, was euch zu Andern</l><lb/><l>treibet,</l><lb/><l>Warum ihr mit dem Kuß bei eurer Frau nicht bleibet?</l><lb/><l>Der Edelmann lacht laut und ſpricht: du biſt ein Thor,</l><lb/><l>Ein neuer Kuß kommt uns wie neue Speiſe vor,</l><lb/><l>Der Wechſel iſt gewiß das ſchoͤnſte Ding auf Erden,</l><lb/><l>Denn immer einerlei muß uns zum Ekel werden.</l><lb/><l>Hans hoͤrt es an und ſchuͤttelt mit dem Kopf,</l><lb/><l>Denn Hanns der war ein dummer Tropf.</l><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sein</fw><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[224/0384]
Das beſtaͤndige Einerlei.
1759.
Aſpan, ein Edelmann, gewohnt zum Zeitvertreib,
Verirrte dann und wann ſich zu des Dieners Weib,
Denn ſie war jung und ſchoͤn — Wie? Was trieb denn
Aſpanen
Zu Weibern ſeiner Unterthanen?
Hat er denn ſelbſt kein Weib? Ja, er hat eine Frau;
Doch welcher Menſch wird alt und grau,
Ohn’ mehr als einerlei von Speiſe zu genießen?
Wer kann denn ewig nur auf Einem Munde kuͤſſen?
Zum wenigſten kann dieſes nicht Aſpan.
Einſt trift ſein Diener ihn bei ſeinem Weibe an:
Herr! ſpricht er, ſagt mir doch, was euch zu Andern
treibet,
Warum ihr mit dem Kuß bei eurer Frau nicht bleibet?
Der Edelmann lacht laut und ſpricht: du biſt ein Thor,
Ein neuer Kuß kommt uns wie neue Speiſe vor,
Der Wechſel iſt gewiß das ſchoͤnſte Ding auf Erden,
Denn immer einerlei muß uns zum Ekel werden.
Hans hoͤrt es an und ſchuͤttelt mit dem Kopf,
Denn Hanns der war ein dummer Tropf.
Sein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/384>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.