Bald aber, wenn Du größer wirst, Bey vorgekeimeten Verstande, Begreift Dein Geist, daß Du der Fürst, Der Erbe bist von einem Lande, Worinnen Milch und Honig fleußt: Dann werden Schmeichler Dich umgeben, Die Deinen witzbegabten Geist Bis an die Stern erheben.
Dann sey auf Deiner Hut, o Kind, Bey dem Gesange der Sirenen, Die lieblich und betäubend sind, Und oftmals in den Fürstensöhnen Die besten Seelen schlimm gemacht; Sie gleichen jener bunten Schlangen, Die listig und mit Redepracht Das erste Weib gefangen.
Laß nicht in Deiner jungen Brust Den Trieb zur stolzen Herrschsucht steigen! Sey sanft, und finde Deine Lust, Wenn Du Dich fürstlich kannst bezeigen, Großmüthig, zärtlich, voll Gefühl Des Mitleids und der Menschenliebe, So daß Dein Herz im Kinderspiel Schon fromme Pflichten übe.
Jedoch
Bald aber, wenn Du groͤßer wirſt, Bey vorgekeimeten Verſtande, Begreift Dein Geiſt, daß Du der Fuͤrſt, Der Erbe biſt von einem Lande, Worinnen Milch und Honig fleußt: Dann werden Schmeichler Dich umgeben, Die Deinen witzbegabten Geiſt Bis an die Stern erheben.
Dann ſey auf Deiner Hut, o Kind, Bey dem Geſange der Sirenen, Die lieblich und betaͤubend ſind, Und oftmals in den Fuͤrſtenſoͤhnen Die beſten Seelen ſchlimm gemacht; Sie gleichen jener bunten Schlangen, Die liſtig und mit Redepracht Das erſte Weib gefangen.
Laß nicht in Deiner jungen Bruſt Den Trieb zur ſtolzen Herrſchſucht ſteigen! Sey ſanft, und finde Deine Luſt, Wenn Du Dich fuͤrſtlich kannſt bezeigen, Großmuͤthig, zaͤrtlich, voll Gefuͤhl Des Mitleids und der Menſchenliebe, So daß Dein Herz im Kinderſpiel Schon fromme Pflichten uͤbe.
Jedoch
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Bald aber, wenn Du groͤßer wirſt,
Bey vorgekeimeten Verſtande,
Begreift Dein Geiſt, daß Du der Fuͤrſt,
Der Erbe biſt von einem Lande,
Worinnen Milch und Honig fleußt:
Dann werden Schmeichler Dich umgeben,
Die Deinen witzbegabten Geiſt
Bis an die Stern erheben.
Dann ſey auf Deiner Hut, o Kind,
Bey dem Geſange der Sirenen,
Die lieblich und betaͤubend ſind,
Und oftmals in den Fuͤrſtenſoͤhnen
Die beſten Seelen ſchlimm gemacht;
Sie gleichen jener bunten Schlangen,
Die liſtig und mit Redepracht
Das erſte Weib gefangen.
Laß nicht in Deiner jungen Bruſt
Den Trieb zur ſtolzen Herrſchſucht ſteigen!
Sey ſanft, und finde Deine Luſt,
Wenn Du Dich fuͤrſtlich kannſt bezeigen,
Großmuͤthig, zaͤrtlich, voll Gefuͤhl
Des Mitleids und der Menſchenliebe,
So daß Dein Herz im Kinderſpiel
Schon fromme Pflichten uͤbe.
Jedoch
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/256>, abgerufen am 16.02.2025.
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