Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch schleichet sich in Deinem Herzen
Empfindung ein, die Du verschwurst,
Als Du, betäubt von Tyrannei der Schmerzen,
Unbillig mit Dir selbst verfuhrst.
Du, von des Greises Alter ferne,
Folgst Adelgundens Schatten nicht,
Dich reizen noch zween Augensterne,
Dich lockt ein blühend Angesicht.
Dir lächelt des Verstandes Morgen
Aus faltenloser Stirne zu,
In jedem Blick ist Amors Pfeil verborgen,
Und jeden Blick empfindest Du.
Erzittre G*d! ich weißage
Mehr als Apollo's Pythia,
Die vor des Gottes Tempel ohne Frage
Des Weltbezwingers Namen sah,
Auf jugendlicher Stirn geschrieben,
Und rief: "Wer kann dir widerstehn?"
Und durch die Thür, die sonst versperrt geblieben,
Ihn zum Altar ließ opfern gehn.

B 3
Doch ſchleichet ſich in Deinem Herzen
Empfindung ein, die Du verſchwurſt,
Als Du, betaͤubt von Tyrannei der Schmerzen,
Unbillig mit Dir ſelbſt verfuhrſt.
Du, von des Greiſes Alter ferne,
Folgſt Adelgundens Schatten nicht,
Dich reizen noch zween Augenſterne,
Dich lockt ein bluͤhend Angeſicht.
Dir laͤchelt des Verſtandes Morgen
Aus faltenloſer Stirne zu,
In jedem Blick iſt Amors Pfeil verborgen,
Und jeden Blick empfindeſt Du.
Erzittre G*d! ich weißage
Mehr als Apollo’s Pythia,
Die vor des Gottes Tempel ohne Frage
Des Weltbezwingers Namen ſah,
Auf jugendlicher Stirn geſchrieben,
Und rief: „Wer kann dir widerſtehn?„
Und durch die Thuͤr, die ſonſt verſperrt geblieben,
Ihn zum Altar ließ opfern gehn.

B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0181" n="21"/>
              <lg n="4">
                <l>Doch &#x017F;chleichet &#x017F;ich in Deinem Herzen</l><lb/>
                <l>Empfindung ein, die Du ver&#x017F;chwur&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Als Du, beta&#x0364;ubt von Tyrannei der Schmerzen,</l><lb/>
                <l>Unbillig mit Dir &#x017F;elb&#x017F;t verfuhr&#x017F;t.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Du, von des Grei&#x017F;es Alter ferne,</l><lb/>
                <l>Folg&#x017F;t Adelgundens Schatten nicht,</l><lb/>
                <l>Dich reizen noch zween Augen&#x017F;terne,</l><lb/>
                <l>Dich lockt ein blu&#x0364;hend Ange&#x017F;icht.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Dir la&#x0364;chelt des Ver&#x017F;tandes Morgen</l><lb/>
                <l>Aus faltenlo&#x017F;er Stirne zu,</l><lb/>
                <l>In jedem Blick i&#x017F;t Amors Pfeil verborgen,</l><lb/>
                <l>Und jeden Blick empfinde&#x017F;t Du.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Erzittre G*d! ich weißage</l><lb/>
                <l>Mehr als Apollo&#x2019;s Pythia,</l><lb/>
                <l>Die vor des Gottes Tempel ohne Frage</l><lb/>
                <l>Des Weltbezwingers Namen &#x017F;ah,</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="8">
                <l>Auf jugendlicher Stirn ge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
                <l>Und rief: &#x201E;Wer kann dir wider&#x017F;tehn?&#x201E;</l><lb/>
                <l>Und durch die Thu&#x0364;r, die &#x017F;on&#x017F;t ver&#x017F;perrt geblieben,</l><lb/>
                <l>Ihn zum Altar ließ opfern gehn.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0181] Doch ſchleichet ſich in Deinem Herzen Empfindung ein, die Du verſchwurſt, Als Du, betaͤubt von Tyrannei der Schmerzen, Unbillig mit Dir ſelbſt verfuhrſt. Du, von des Greiſes Alter ferne, Folgſt Adelgundens Schatten nicht, Dich reizen noch zween Augenſterne, Dich lockt ein bluͤhend Angeſicht. Dir laͤchelt des Verſtandes Morgen Aus faltenloſer Stirne zu, In jedem Blick iſt Amors Pfeil verborgen, Und jeden Blick empfindeſt Du. Erzittre G*d! ich weißage Mehr als Apollo’s Pythia, Die vor des Gottes Tempel ohne Frage Des Weltbezwingers Namen ſah, Auf jugendlicher Stirn geſchrieben, Und rief: „Wer kann dir widerſtehn?„ Und durch die Thuͤr, die ſonſt verſperrt geblieben, Ihn zum Altar ließ opfern gehn. B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/181
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/181>, abgerufen am 22.11.2024.