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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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zuweilen wieder auf, und sie war oft so munter, daß
sie Verse machte, wie in ihrer Jugend. Ihr letztes Ge-
dicht verfertigte sie noch in Frankfurt; es war das,
auf die Abreise der eben vermählten Herzogin von
York K. H., welches in der Zueignung eingerückt
ist. Mit diesem kleinen Gesange losch die Flam-
me ihrer dichterischen Denkkraft auf ewig in ihr
aus. Der Herbst war da, sie wollte die Fürstin ihres
Herzens, die Schöpferin ihres letzten irdischen Glückes
vermählen sehn, und wagte sich also in ihrer Todes-
schwäche auf die Rückreise nach Berlin, wo sie am
letzten September 1791 zu aller Menschen Erstaunen
glücklich in ihrem Hause ankam, ohne daß sie den
Wunsch, ihre Vaterstadt noch einmal zu sehen, hatte
befriedigen können. Drittehalb Tage hielt sie sich
noch ausser dem Bette, und würde vielleicht länger
ohne Niederlage geblieben seyn, wenn sie nicht, aus
Begierde eine nachbarliche Freundin zu besuchen, der
bestellten Portechaise vorgeeilt, und am Arme des
Dienstmädchens zu ihr herüber gewandert wäre. Der
mühsame, obgleich kleine Gang auf den Steinen schien
sie vollends erschöpft zu haben. Zwar saß sie noch
anderthalb Tage in ihrem Lehnstuhle auf, allein fast
ohne Gedanken. Am dritten Tage legte sie sich, und
konnte nie wieder aufstehn. Sie war völlig von
Kraftlosigkeit erstarrt. Dennoch blieh ihr Geist noch

zuweilen wieder auf, und ſie war oft ſo munter, daß
ſie Verſe machte, wie in ihrer Jugend. Ihr letztes Ge-
dicht verfertigte ſie noch in Frankfurt; es war das,
auf die Abreiſe der eben vermaͤhlten Herzogin von
York K. H., welches in der Zueignung eingeruͤckt
iſt. Mit dieſem kleinen Geſange loſch die Flam-
me ihrer dichteriſchen Denkkraft auf ewig in ihr
aus. Der Herbſt war da, ſie wollte die Fuͤrſtin ihres
Herzens, die Schoͤpferin ihres letzten irdiſchen Gluͤckes
vermaͤhlen ſehn, und wagte ſich alſo in ihrer Todes-
ſchwaͤche auf die Ruͤckreiſe nach Berlin, wo ſie am
letzten September 1791 zu aller Menſchen Erſtaunen
gluͤcklich in ihrem Hauſe ankam, ohne daß ſie den
Wunſch, ihre Vaterſtadt noch einmal zu ſehen, hatte
befriedigen koͤnnen. Drittehalb Tage hielt ſie ſich
noch auſſer dem Bette, und wuͤrde vielleicht laͤnger
ohne Niederlage geblieben ſeyn, wenn ſie nicht, aus
Begierde eine nachbarliche Freundin zu beſuchen, der
beſtellten Portechaiſe vorgeeilt, und am Arme des
Dienſtmaͤdchens zu ihr heruͤber gewandert waͤre. Der
muͤhſame, obgleich kleine Gang auf den Steinen ſchien
ſie vollends erſchoͤpft zu haben. Zwar ſaß ſie noch
anderthalb Tage in ihrem Lehnſtuhle auf, allein faſt
ohne Gedanken. Am dritten Tage legte ſie ſich, und
konnte nie wieder aufſtehn. Sie war voͤllig von
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[124/0156] zuweilen wieder auf, und ſie war oft ſo munter, daß ſie Verſe machte, wie in ihrer Jugend. Ihr letztes Ge- dicht verfertigte ſie noch in Frankfurt; es war das, auf die Abreiſe der eben vermaͤhlten Herzogin von York K. H., welches in der Zueignung eingeruͤckt iſt. Mit dieſem kleinen Geſange loſch die Flam- me ihrer dichteriſchen Denkkraft auf ewig in ihr aus. Der Herbſt war da, ſie wollte die Fuͤrſtin ihres Herzens, die Schoͤpferin ihres letzten irdiſchen Gluͤckes vermaͤhlen ſehn, und wagte ſich alſo in ihrer Todes- ſchwaͤche auf die Ruͤckreiſe nach Berlin, wo ſie am letzten September 1791 zu aller Menſchen Erſtaunen gluͤcklich in ihrem Hauſe ankam, ohne daß ſie den Wunſch, ihre Vaterſtadt noch einmal zu ſehen, hatte befriedigen koͤnnen. Drittehalb Tage hielt ſie ſich noch auſſer dem Bette, und wuͤrde vielleicht laͤnger ohne Niederlage geblieben ſeyn, wenn ſie nicht, aus Begierde eine nachbarliche Freundin zu beſuchen, der beſtellten Portechaiſe vorgeeilt, und am Arme des Dienſtmaͤdchens zu ihr heruͤber gewandert waͤre. Der muͤhſame, obgleich kleine Gang auf den Steinen ſchien ſie vollends erſchoͤpft zu haben. Zwar ſaß ſie noch anderthalb Tage in ihrem Lehnſtuhle auf, allein faſt ohne Gedanken. Am dritten Tage legte ſie ſich, und konnte nie wieder aufſtehn. Sie war voͤllig von Kraftloſigkeit erſtarrt. Dennoch blieh ihr Geiſt noch

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/156>, abgerufen am 25.11.2024.