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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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zu nachgebende und für ihn zu scheue Schwester nahm
die ganze Last der neuen Haushaltung auf ihre Schul-
tern. Aus Vernunft, welche sie den eingeprägten
guten Grundsätzen der Erziehung zu danken hatte
fand sich die Tochter in ihre Bestimmung, allein, es
half nicht; und sie ward endlich nach einer länger als
neunjährigen Nachsicht mit ihrem unleidlichen Schick-
sale, gezwungen, sich davon zu befreyen. Sie ver-
heirathete sich nachher zum zweitenmal, und wegen
ihres Mannes bösen Verwandten auch diesmal nicht
besser. Die Dichterin hat also die Freude niemals
erlebt, Eins von ihren Kindern glücklich zu sehen.

Durch solche zerrüttende Schicksale fiel Tochter
und Enkel in ihre Hauptfürsorge wieder zurück,
und sie trug alles, ohne zu glauben, daß es ihr bes-
ser gehen müßte. Ließ man ihr nur die Freiheit zu
klagen, und gab man ihr in ihren Vorurtheilen
Recht; so war sie zufrieden, was auch ihr spätes
Loos von Sorgen mit sich brachte. Dinge, welche
sie freilich durch eine kleine Wendung, oder durch
Annehmung eines guten Raths hätte zum Besten
verwandeln können, hielt sie, wenn sie versehen waren,
für unvermeidliches Uebel, und tröstete sich dann mit
einer nothwendigen Philosophie und mit dem süßen

Glau-

zu nachgebende und fuͤr ihn zu ſcheue Schweſter nahm
die ganze Laſt der neuen Haushaltung auf ihre Schul-
tern. Aus Vernunft, welche ſie den eingepraͤgten
guten Grundſaͤtzen der Erziehung zu danken hatte
fand ſich die Tochter in ihre Beſtimmung, allein, es
half nicht; und ſie ward endlich nach einer laͤnger als
neunjaͤhrigen Nachſicht mit ihrem unleidlichen Schick-
ſale, gezwungen, ſich davon zu befreyen. Sie ver-
heirathete ſich nachher zum zweitenmal, und wegen
ihres Mannes boͤſen Verwandten auch diesmal nicht
beſſer. Die Dichterin hat alſo die Freude niemals
erlebt, Eins von ihren Kindern gluͤcklich zu ſehen.

Durch ſolche zerruͤttende Schickſale fiel Tochter
und Enkel in ihre Hauptfuͤrſorge wieder zuruͤck,
und ſie trug alles, ohne zu glauben, daß es ihr beſ-
ſer gehen muͤßte. Ließ man ihr nur die Freiheit zu
klagen, und gab man ihr in ihren Vorurtheilen
Recht; ſo war ſie zufrieden, was auch ihr ſpaͤtes
Loos von Sorgen mit ſich brachte. Dinge, welche
ſie freilich durch eine kleine Wendung, oder durch
Annehmung eines guten Raths haͤtte zum Beſten
verwandeln koͤnnen, hielt ſie, wenn ſie verſehen waren,
fuͤr unvermeidliches Uebel, und troͤſtete ſich dann mit
einer nothwendigen Philoſophie und mit dem ſuͤßen

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[112/0144] zu nachgebende und fuͤr ihn zu ſcheue Schweſter nahm die ganze Laſt der neuen Haushaltung auf ihre Schul- tern. Aus Vernunft, welche ſie den eingepraͤgten guten Grundſaͤtzen der Erziehung zu danken hatte fand ſich die Tochter in ihre Beſtimmung, allein, es half nicht; und ſie ward endlich nach einer laͤnger als neunjaͤhrigen Nachſicht mit ihrem unleidlichen Schick- ſale, gezwungen, ſich davon zu befreyen. Sie ver- heirathete ſich nachher zum zweitenmal, und wegen ihres Mannes boͤſen Verwandten auch diesmal nicht beſſer. Die Dichterin hat alſo die Freude niemals erlebt, Eins von ihren Kindern gluͤcklich zu ſehen. Durch ſolche zerruͤttende Schickſale fiel Tochter und Enkel in ihre Hauptfuͤrſorge wieder zuruͤck, und ſie trug alles, ohne zu glauben, daß es ihr beſ- ſer gehen muͤßte. Ließ man ihr nur die Freiheit zu klagen, und gab man ihr in ihren Vorurtheilen Recht; ſo war ſie zufrieden, was auch ihr ſpaͤtes Loos von Sorgen mit ſich brachte. Dinge, welche ſie freilich durch eine kleine Wendung, oder durch Annehmung eines guten Raths haͤtte zum Beſten verwandeln koͤnnen, hielt ſie, wenn ſie verſehen waren, fuͤr unvermeidliches Uebel, und troͤſtete ſich dann mit einer nothwendigen Philoſophie und mit dem ſuͤßen Glau-

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/144>, abgerufen am 22.11.2024.