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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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könnte; und der Plan würde gelungen seyn, wenn
ihn nicht der Rath eines andern Freundes durchgestri-
chen hätte, welcher anrieth: die Exemplare der Samm-
lung in zwei Klassen abzutheilen, in eine theure und
eine wohlfeile. Sie ließ sich den Vorschlag blen-
den, indem sie nichts dadurch zu verlieren, wol
aber zu gewinnen glaubte, und ehe Gleim es hindern
konnte, war das Avertissement für die Abänderung
schon abgedruckt und im Umlauf. Da die mehresten
nur ihre Neugier befriedigen wollten, so war es ihnen
einerlei, ob sie das Ganze auf feinem oder gemeinem
Papier, mit oder ohne Vignetten, hatten, wenn es
nur eine Sammlung von den Gedichten der Karschin
war. Daher pränumerirte der größte Theil der In-
teressenten auf den geringsten Preiß; indeß ging die
Sache gut genug von statten, und nach Abzug aller
Kosten behielt die Dichterin zwei tausend Thaler in
gutem Golde Ueberschuß. Gleims Plan ging auf fünf
tausend, und es würde gelungen seyn, wenn man ihm
gefolgt hätte. Doch sie, die immer Genügsame! wel-
che desto weniger begehrte, je weniger sie rechnen
konnte, hielt sich durch das kleine Kapital schon für reich.

Die Sammlung war noch nicht zu Stande, als sie
mit einem Freunde eine Besuchsreise nach Berlin
machte, um ihre hiesigen Freunde und ihre Tochter
einmal wieder zu sehn. Sie glaubte bald nach Mag-

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koͤnnte; und der Plan wuͤrde gelungen ſeyn, wenn
ihn nicht der Rath eines andern Freundes durchgeſtri-
chen haͤtte, welcher anrieth: die Exemplare der Samm-
lung in zwei Klaſſen abzutheilen, in eine theure und
eine wohlfeile. Sie ließ ſich den Vorſchlag blen-
den, indem ſie nichts dadurch zu verlieren, wol
aber zu gewinnen glaubte, und ehe Gleim es hindern
konnte, war das Avertiſſement fuͤr die Abaͤnderung
ſchon abgedruckt und im Umlauf. Da die mehreſten
nur ihre Neugier befriedigen wollten, ſo war es ihnen
einerlei, ob ſie das Ganze auf feinem oder gemeinem
Papier, mit oder ohne Vignetten, hatten, wenn es
nur eine Sammlung von den Gedichten der Karſchin
war. Daher praͤnumerirte der groͤßte Theil der In-
tereſſenten auf den geringſten Preiß; indeß ging die
Sache gut genug von ſtatten, und nach Abzug aller
Koſten behielt die Dichterin zwei tauſend Thaler in
gutem Golde Ueberſchuß. Gleims Plan ging auf fuͤnf
tauſend, und es wuͤrde gelungen ſeyn, wenn man ihm
gefolgt haͤtte. Doch ſie, die immer Genuͤgſame! wel-
che deſto weniger begehrte, je weniger ſie rechnen
konnte, hielt ſich durch das kleine Kapital ſchon fuͤr reich.

Die Sammlung war noch nicht zu Stande, als ſie
mit einem Freunde eine Beſuchsreiſe nach Berlin
machte, um ihre hieſigen Freunde und ihre Tochter
einmal wieder zu ſehn. Sie glaubte bald nach Mag-

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[101/0133] koͤnnte; und der Plan wuͤrde gelungen ſeyn, wenn ihn nicht der Rath eines andern Freundes durchgeſtri- chen haͤtte, welcher anrieth: die Exemplare der Samm- lung in zwei Klaſſen abzutheilen, in eine theure und eine wohlfeile. Sie ließ ſich den Vorſchlag blen- den, indem ſie nichts dadurch zu verlieren, wol aber zu gewinnen glaubte, und ehe Gleim es hindern konnte, war das Avertiſſement fuͤr die Abaͤnderung ſchon abgedruckt und im Umlauf. Da die mehreſten nur ihre Neugier befriedigen wollten, ſo war es ihnen einerlei, ob ſie das Ganze auf feinem oder gemeinem Papier, mit oder ohne Vignetten, hatten, wenn es nur eine Sammlung von den Gedichten der Karſchin war. Daher praͤnumerirte der groͤßte Theil der In- tereſſenten auf den geringſten Preiß; indeß ging die Sache gut genug von ſtatten, und nach Abzug aller Koſten behielt die Dichterin zwei tauſend Thaler in gutem Golde Ueberſchuß. Gleims Plan ging auf fuͤnf tauſend, und es wuͤrde gelungen ſeyn, wenn man ihm gefolgt haͤtte. Doch ſie, die immer Genuͤgſame! wel- che deſto weniger begehrte, je weniger ſie rechnen konnte, hielt ſich durch das kleine Kapital ſchon fuͤr reich. Die Sammlung war noch nicht zu Stande, als ſie mit einem Freunde eine Beſuchsreiſe nach Berlin machte, um ihre hieſigen Freunde und ihre Tochter einmal wieder zu ſehn. Sie glaubte bald nach Mag- g 3

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/133>, abgerufen am 24.11.2024.