schlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken: ihren Wohlthäter! alles was ihr wiederfuhr, alles was ihre Sinne berührte, schien von seinem Einflusse beseelt zu seyn. Sie sah in allem nur ihn, und in ihm die wunderthätige Hand Gottes. So oft sie allein war, lag sie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefühle flossen in Thränen über.
Doch, wie Schiffe noch im Hafen scheitern können, so drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Glück- seligkeit ein zurückschlagender Sturm, denn in Krossen fand sie ihren Mann. Der Schreck betäubte sie auf: einige Augenblicke, da sie ihn gewahr wurde und er sich ihr näherte; weil sie aber in hochfreiherrlichem Schutze reisete so war auf des Mannes Seite auch Furcht, und er, anstatt zu wüthen, fiel ihr um den Hals mit freundlichen Worten und Thränen der Reue. Er nahm seine Zuflucht zu Bitten und Vorstellungen, so rührend es ihm möglich war. Hätte sie nicht adeliche Bedek- kung gehabt, so würde sie aus Furcht ihn erhört ha- ben; allein da sie die Uebermacht gegen ihn in Händen hatte, so antwortete sie mit gleicher Freundlichkeit und eben so dringenden Vorstellungen von ihrer Seite: daß es so wenig möglich als nützlich wäre, sich wieder mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreise nicht nach, wo er aber auch seinen Ton nicht änderte, ver-
ſchlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken: ihren Wohlthaͤter! alles was ihr wiederfuhr, alles was ihre Sinne beruͤhrte, ſchien von ſeinem Einfluſſe beſeelt zu ſeyn. Sie ſah in allem nur ihn, und in ihm die wunderthaͤtige Hand Gottes. So oft ſie allein war, lag ſie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefuͤhle floſſen in Thraͤnen uͤber.
Doch, wie Schiffe noch im Hafen ſcheitern koͤnnen, ſo drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Gluͤck- ſeligkeit ein zuruͤckſchlagender Sturm, denn in Kroſſen fand ſie ihren Mann. Der Schreck betaͤubte ſie auf: einige Augenblicke, da ſie ihn gewahr wurde und er ſich ihr naͤherte; weil ſie aber in hochfreiherrlichem Schutze reiſete ſo war auf des Mannes Seite auch Furcht, und er, anſtatt zu wuͤthen, fiel ihr um den Hals mit freundlichen Worten und Thraͤnen der Reue. Er nahm ſeine Zuflucht zu Bitten und Vorſtellungen, ſo ruͤhrend es ihm moͤglich war. Haͤtte ſie nicht adeliche Bedek- kung gehabt, ſo wuͤrde ſie aus Furcht ihn erhoͤrt ha- ben; allein da ſie die Uebermacht gegen ihn in Haͤnden hatte, ſo antwortete ſie mit gleicher Freundlichkeit und eben ſo dringenden Vorſtellungen von ihrer Seite: daß es ſo wenig moͤglich als nuͤtzlich waͤre, ſich wieder mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreiſe nicht nach, wo er aber auch ſeinen Ton nicht aͤnderte, ver-
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ſchlummern legte. Sie hatte nur Einen Gedanken:
ihren Wohlthaͤter! alles was ihr wiederfuhr, alles
was ihre Sinne beruͤhrte, ſchien von ſeinem Einfluſſe
beſeelt zu ſeyn. Sie ſah in allem nur ihn, und in ihm
die wunderthaͤtige Hand Gottes. So oft ſie allein war,
lag ſie auf ihren Knieen, und ihre Dankgefuͤhle floſſen
in Thraͤnen uͤber.
Doch, wie Schiffe noch im Hafen ſcheitern koͤnnen,
ſo drohete auch hier der Dichterin im Hafen ihrer Gluͤck-
ſeligkeit ein zuruͤckſchlagender Sturm, denn in Kroſſen
fand ſie ihren Mann. Der Schreck betaͤubte ſie auf:
einige Augenblicke, da ſie ihn gewahr wurde und er ſich
ihr naͤherte; weil ſie aber in hochfreiherrlichem Schutze
reiſete ſo war auf des Mannes Seite auch Furcht,
und er, anſtatt zu wuͤthen, fiel ihr um den Hals mit
freundlichen Worten und Thraͤnen der Reue. Er nahm
ſeine Zuflucht zu Bitten und Vorſtellungen, ſo ruͤhrend
es ihm moͤglich war. Haͤtte ſie nicht adeliche Bedek-
kung gehabt, ſo wuͤrde ſie aus Furcht ihn erhoͤrt ha-
ben; allein da ſie die Uebermacht gegen ihn in Haͤnden
hatte, ſo antwortete ſie mit gleicher Freundlichkeit und
eben ſo dringenden Vorſtellungen von ihrer Seite:
daß es ſo wenig moͤglich als nuͤtzlich waͤre, ſich wieder
mit ihm zu vereinigen. Dennoch ließ er mit Bitten
und Weinen bis auf den Augenblick ihrer Abreiſe nicht
nach, wo er aber auch ſeinen Ton nicht aͤnderte, ver-
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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