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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Gönner für die Dichterin an dieselben an. Sie wurde
der Gräflich Röderschen Familie vorgestellt, und ge-
noß ihrer Gnade; dem Herrn von Cocceji, von
Schlabrendorff
, dem Kommandanten von Haak,
und mehrern dergleichen, welche alle unermüdet in
Aufmunterungen für sie waren und blieben. Mehrere
Personen von allen Ständen suchten ihre Neugier in
ihrer Bekanntschaft zu befriedigen, und munterten
durch ihre Gütigkeit ihr Talent auf. Der Krieg hielt
hier einen Zusammenfluß von Fremden beisammen,
welche ihr manchen Nutzen brachten. Hier lag die
Festungsgarnison, hier war ein Schloß, ein Rath-
haus, mehrere Departements, und, für die Dichterin
das vorzüglichste von allen, ein Buchladen. In die-
sem Buchladen bekam sie bald freien Zutritt; sie ging
also, so oft sie ihrem schweren Hausstande eine
Stunde entreißen konnte, in demselben lesen. Hier
fand sie die Uebersetzung eines Youngs, eines Hora-
zes, Gedichte einer Unzerin und anderer angehenden
deutschen Gelehrten, welche nach und nach entstanden.
Auch von dem Königlichen Philosophen von Sans-
souci, welcher der Held ihres Busens war, fielen ihr
Uebersetzungen seiner Oden und Episteln in die Hän-
de; welche sie, aus Vergötterung für ihn, bei nächt-
licher Lampe, wenn rund um sie alles schlief, in Verse
etzte; wodurch sie sich selbst die vortreflichste Uebung

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Goͤnner fuͤr die Dichterin an dieſelben an. Sie wurde
der Graͤflich Roͤderſchen Familie vorgeſtellt, und ge-
noß ihrer Gnade; dem Herrn von Cocceji, von
Schlabrendorff
, dem Kommandanten von Haak,
und mehrern dergleichen, welche alle unermuͤdet in
Aufmunterungen fuͤr ſie waren und blieben. Mehrere
Perſonen von allen Staͤnden ſuchten ihre Neugier in
ihrer Bekanntſchaft zu befriedigen, und munterten
durch ihre Guͤtigkeit ihr Talent auf. Der Krieg hielt
hier einen Zuſammenfluß von Fremden beiſammen,
welche ihr manchen Nutzen brachten. Hier lag die
Feſtungsgarniſon, hier war ein Schloß, ein Rath-
haus, mehrere Departements, und, fuͤr die Dichterin
das vorzuͤglichſte von allen, ein Buchladen. In die-
ſem Buchladen bekam ſie bald freien Zutritt; ſie ging
alſo, ſo oft ſie ihrem ſchweren Hausſtande eine
Stunde entreißen konnte, in demſelben leſen. Hier
fand ſie die Ueberſetzung eines Youngs, eines Hora-
zes, Gedichte einer Unzerin und anderer angehenden
deutſchen Gelehrten, welche nach und nach entſtanden.
Auch von dem Koͤniglichen Philoſophen von Sans-
ſouci, welcher der Held ihres Buſens war, fielen ihr
Ueberſetzungen ſeiner Oden und Epiſteln in die Haͤn-
de; welche ſie, aus Vergoͤtterung fuͤr ihn, bei naͤcht-
licher Lampe, wenn rund um ſie alles ſchlief, in Verſe
etzte; wodurch ſie ſich ſelbſt die vortreflichſte Uebung

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[71/0103] Goͤnner fuͤr die Dichterin an dieſelben an. Sie wurde der Graͤflich Roͤderſchen Familie vorgeſtellt, und ge- noß ihrer Gnade; dem Herrn von Cocceji, von Schlabrendorff, dem Kommandanten von Haak, und mehrern dergleichen, welche alle unermuͤdet in Aufmunterungen fuͤr ſie waren und blieben. Mehrere Perſonen von allen Staͤnden ſuchten ihre Neugier in ihrer Bekanntſchaft zu befriedigen, und munterten durch ihre Guͤtigkeit ihr Talent auf. Der Krieg hielt hier einen Zuſammenfluß von Fremden beiſammen, welche ihr manchen Nutzen brachten. Hier lag die Feſtungsgarniſon, hier war ein Schloß, ein Rath- haus, mehrere Departements, und, fuͤr die Dichterin das vorzuͤglichſte von allen, ein Buchladen. In die- ſem Buchladen bekam ſie bald freien Zutritt; ſie ging alſo, ſo oft ſie ihrem ſchweren Hausſtande eine Stunde entreißen konnte, in demſelben leſen. Hier fand ſie die Ueberſetzung eines Youngs, eines Hora- zes, Gedichte einer Unzerin und anderer angehenden deutſchen Gelehrten, welche nach und nach entſtanden. Auch von dem Koͤniglichen Philoſophen von Sans- ſouci, welcher der Held ihres Buſens war, fielen ihr Ueberſetzungen ſeiner Oden und Epiſteln in die Haͤn- de; welche ſie, aus Vergoͤtterung fuͤr ihn, bei naͤcht- licher Lampe, wenn rund um ſie alles ſchlief, in Verſe etzte; wodurch ſie ſich ſelbſt die vortreflichſte Uebung e 4

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/103>, abgerufen am 24.11.2024.