An einen Freund der melancholisch den Tod einer Freundin beweinte.
Der du mit finstern Blicken ganz verächtlich Glück, Ruhm und Freuden übersiehst, Nicht mehr Lorenzo bist, und einsam mitternächtlich Ein andrer Young, den Schlummer fliehst,
Und jammernd sitzest, hier, wo die Gebeine Der Freundin ruhn, mit Sand bestreut; Die Freundschaft führt mich nach, auf daß ich mit dir weine, Gerührt durch deine Traurigkeit!
Auf meine Leyer will ich ernste Saiten Mit fromm gewordnen Händen ziehn, Will singen, wie der Geist sich feyerlich bereiten Soll, in die obre Welt zu ziehn!
Erſtes Buch.
An einen Freund der melancholiſch den Tod einer Freundin beweinte.
Der du mit finſtern Blicken ganz veraͤchtlich Gluͤck, Ruhm und Freuden uͤberſiehſt, Nicht mehr Lorenzo biſt, und einſam mitternaͤchtlich Ein andrer Young, den Schlummer fliehſt,
Und jammernd ſitzeſt, hier, wo die Gebeine Der Freundin ruhn, mit Sand beſtreut; Die Freundſchaft fuͤhrt mich nach, auf daß ich mit dir weine, Geruͤhrt durch deine Traurigkeit!
Auf meine Leyer will ich ernſte Saiten Mit fromm gewordnen Haͤnden ziehn, Will ſingen, wie der Geiſt ſich feyerlich bereiten Soll, in die obre Welt zu ziehn!
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Erſtes Buch.
An einen Freund
der melancholiſch den Tod einer Freundin beweinte.
Der du mit finſtern Blicken ganz veraͤchtlich
Gluͤck, Ruhm und Freuden uͤberſiehſt,
Nicht mehr Lorenzo biſt, und einſam mitternaͤchtlich
Ein andrer Young, den Schlummer fliehſt,
Und jammernd ſitzeſt, hier, wo die Gebeine
Der Freundin ruhn, mit Sand beſtreut;
Die Freundſchaft fuͤhrt mich nach, auf daß ich mit dir weine,
Geruͤhrt durch deine Traurigkeit!
Auf meine Leyer will ich ernſte Saiten
Mit fromm gewordnen Haͤnden ziehn,
Will ſingen, wie der Geiſt ſich feyerlich bereiten
Soll, in die obre Welt zu ziehn!
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Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/87>, abgerufen am 23.02.2025.
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