Nicht von den Flügeln starker Winde Heraufgebracht, kam es daher Das Ungewitter, o Gleminde! Es wälzte sich herauf, so fürchterlich, so schwer, Als wenn in grossen Menschenkriegen, Zwey Heere langsam ziehn, itzt an einander stehn, Und Kugeln durch die Luft mit Feuerflügeln gehn; So brüllten Donner fort! die Vögel alle schwiegen, Die Nachtigallen krochen tief In dunkler Hecken Laub, und keine Wachtel rief Der andern zärtlich zu, in Furchen, wo der Weizen Den Mund hatt' aufgethan, um Regen einzugeizen. Dem Schäfer, der im Schatten schlief, Fuhr Schrecken in das Ohr, und in die Brust. Er hörte Das Brausen in dem Wolkenzug. Dem Pflüger sank die Hand an seinem schweren Pflug; Und in der Städte Zimmer stöhrte
Y 3
Zweytes Buch.
An Gleminden, nach einem Ungewitter.
Nicht von den Fluͤgeln ſtarker Winde Heraufgebracht, kam es daher Das Ungewitter, o Gleminde! Es waͤlzte ſich herauf, ſo fuͤrchterlich, ſo ſchwer, Als wenn in groſſen Menſchenkriegen, Zwey Heere langſam ziehn, itzt an einander ſtehn, Und Kugeln durch die Luft mit Feuerfluͤgeln gehn; So bruͤllten Donner fort! die Voͤgel alle ſchwiegen, Die Nachtigallen krochen tief In dunkler Hecken Laub, und keine Wachtel rief Der andern zaͤrtlich zu, in Furchen, wo der Weizen Den Mund hatt’ aufgethan, um Regen einzugeizen. Dem Schaͤfer, der im Schatten ſchlief, Fuhr Schrecken in das Ohr, und in die Bruſt. Er hoͤrte Das Brauſen in dem Wolkenzug. Dem Pfluͤger ſank die Hand an ſeinem ſchweren Pflug; Und in der Staͤdte Zimmer ſtoͤhrte
Y 3
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0385"n="341"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">An Gleminden,<lb/>
nach einem Ungewitter.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l>Nicht von den Fluͤgeln ſtarker Winde</l><lb/><l>Heraufgebracht, kam es daher</l><lb/><l>Das Ungewitter, o Gleminde!</l><lb/><l>Es waͤlzte ſich herauf, ſo fuͤrchterlich, ſo ſchwer,</l><lb/><l>Als wenn in groſſen Menſchenkriegen,</l><lb/><l>Zwey Heere langſam ziehn, itzt an einander ſtehn,</l><lb/><l>Und Kugeln durch die Luft mit Feuerfluͤgeln gehn;</l><lb/><l>So bruͤllten Donner fort! die Voͤgel alle ſchwiegen,</l><lb/><l>Die Nachtigallen krochen tief</l><lb/><l>In dunkler Hecken Laub, und keine Wachtel rief</l><lb/><l>Der andern zaͤrtlich zu, in Furchen, wo der Weizen</l><lb/><l>Den Mund hatt’ aufgethan, um Regen einzugeizen.</l><lb/><l>Dem Schaͤfer, der im Schatten ſchlief,</l><lb/><l>Fuhr Schrecken in das Ohr, und in die Bruſt.</l><lb/><l><hirendition="#et">Er hoͤrte</hi></l><lb/><l>Das Brauſen in dem Wolkenzug.</l><lb/><l>Dem Pfluͤger ſank die Hand an ſeinem ſchweren Pflug;</l><lb/><l>Und in der Staͤdte Zimmer ſtoͤhrte</l><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 3</fw><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[341/0385]
Zweytes Buch.
An Gleminden,
nach einem Ungewitter.
Nicht von den Fluͤgeln ſtarker Winde
Heraufgebracht, kam es daher
Das Ungewitter, o Gleminde!
Es waͤlzte ſich herauf, ſo fuͤrchterlich, ſo ſchwer,
Als wenn in groſſen Menſchenkriegen,
Zwey Heere langſam ziehn, itzt an einander ſtehn,
Und Kugeln durch die Luft mit Feuerfluͤgeln gehn;
So bruͤllten Donner fort! die Voͤgel alle ſchwiegen,
Die Nachtigallen krochen tief
In dunkler Hecken Laub, und keine Wachtel rief
Der andern zaͤrtlich zu, in Furchen, wo der Weizen
Den Mund hatt’ aufgethan, um Regen einzugeizen.
Dem Schaͤfer, der im Schatten ſchlief,
Fuhr Schrecken in das Ohr, und in die Bruſt.
Er hoͤrte
Das Brauſen in dem Wolkenzug.
Dem Pfluͤger ſank die Hand an ſeinem ſchweren Pflug;
Und in der Staͤdte Zimmer ſtoͤhrte
Y 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/385>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.