Der Sänger bey der Heerde, in Welschland, eine Erzählung.
Im Lande, wo Horaz Gesänge Umher erschallen ließ, wo unter grüne Gänge Zu jeder Jahreszeit der Jüngling hoffend geht, Der mit dem Mädchen sich versteht: In Welschland war ein Hirtenknabe, Der niemals las, und niemals schrieb, Und von der Kindheit an, bey stillen Schaafen blieb, Ganz unbekannt mit der in ihm verborgnen Gabe. Einst stand er hingelehnt an seinem Hirtenstabe, Da kam ein Pächter, las ihm seinen Tasso vor; Der Schäfer stand, war lauter Ohr,
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Zweytes Buch.
Der Saͤnger bey der Heerde, in Welſchland, eine Erzaͤhlung.
Im Lande, wo Horaz Geſaͤnge Umher erſchallen ließ, wo unter gruͤne Gaͤnge Zu jeder Jahreszeit der Juͤngling hoffend geht, Der mit dem Maͤdchen ſich verſteht: In Welſchland war ein Hirtenknabe, Der niemals las, und niemals ſchrieb, Und von der Kindheit an, bey ſtillen Schaafen blieb, Ganz unbekannt mit der in ihm verborgnen Gabe. Einſt ſtand er hingelehnt an ſeinem Hirtenſtabe, Da kam ein Paͤchter, las ihm ſeinen Taſſo vor; Der Schaͤfer ſtand, war lauter Ohr,
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Zweytes Buch.
Der Saͤnger
bey der Heerde, in Welſchland,
eine Erzaͤhlung.
Im Lande, wo Horaz Geſaͤnge
Umher erſchallen ließ, wo unter gruͤne Gaͤnge
Zu jeder Jahreszeit der Juͤngling hoffend geht,
Der mit dem Maͤdchen ſich verſteht:
In Welſchland war ein Hirtenknabe,
Der niemals las, und niemals ſchrieb,
Und von der Kindheit an, bey ſtillen Schaafen blieb,
Ganz unbekannt mit der in ihm verborgnen Gabe.
Einſt ſtand er hingelehnt an ſeinem Hirtenſtabe,
Da kam ein Paͤchter, las ihm ſeinen Taſſo vor;
Der Schaͤfer ſtand, war lauter Ohr,
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Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/355>, abgerufen am 23.02.2025.
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