Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Vermischte Gedichte. An Palemon. (Den 2ten April 1762.)Freund! staune mich nicht an. Ich komm im schönsten Putz, Bin wie der Frühling grün, und bunt wie Blumen- stücke; Dem wolckigten April, der Kälte biet ich Trutz; Mich wärmen andre Sonnenblicke. Der Freund, der oft mein Tag, wenn ich ihn dachte, war, Zählt heute sechsmal sieben Jahr. Ihm wird kein Liebes-Gott Wein in den Becher giessen. Du weißt, wie grimmig seine Hand Den Pfeil aus seiner Brust gerissen, Und hingeworfen Hymens Band. Ach! er zerbrach des kleinen Amors Leyer, Und heiß von einem Heldenfeuer, Sang er von Krieg und Vaterland Vermiſchte Gedichte. An Palemon. (Den 2ten April 1762.)Freund! ſtaune mich nicht an. Ich komm im ſchoͤnſten Putz, Bin wie der Fruͤhling gruͤn, und bunt wie Blumen- ſtuͤcke; Dem wolckigten April, der Kaͤlte biet ich Trutz; Mich waͤrmen andre Sonnenblicke. Der Freund, der oft mein Tag, wenn ich ihn dachte, war, Zaͤhlt heute ſechsmal ſieben Jahr. Ihm wird kein Liebes-Gott Wein in den Becher gieſſen. Du weißt, wie grimmig ſeine Hand Den Pfeil aus ſeiner Bruſt geriſſen, Und hingeworfen Hymens Band. Ach! er zerbrach des kleinen Amors Leyer, Und heiß von einem Heldenfeuer, Sang er von Krieg und Vaterland <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0342" n="298"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermiſchte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">An Palemon.</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#c">(Den 2ten April 1762.)</hi> </dateline><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem" n="1"> <l>Freund! ſtaune mich nicht an. Ich komm im<lb/><hi rendition="#et">ſchoͤnſten Putz,</hi><lb/> Bin wie der Fruͤhling gruͤn, und bunt wie Blumen-<lb/><hi rendition="#et">ſtuͤcke;</hi><lb/> Dem wolckigten April, der Kaͤlte biet ich Trutz;<lb/> Mich waͤrmen andre Sonnenblicke.<lb/> Der Freund, der oft mein Tag, wenn ich ihn dachte,<lb/><hi rendition="#et">war,</hi><lb/> Zaͤhlt heute ſechsmal ſieben Jahr.<lb/> Ihm wird kein Liebes-Gott Wein in den Becher<lb/><hi rendition="#et">gieſſen.</hi><lb/> Du weißt, wie grimmig ſeine Hand<lb/> Den Pfeil aus ſeiner Bruſt geriſſen,<lb/> Und hingeworfen Hymens Band.<lb/> Ach! er zerbrach des kleinen Amors Leyer,<lb/> Und heiß von einem Heldenfeuer,<lb/> Sang er von Krieg und Vaterland<lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [298/0342]
Vermiſchte Gedichte.
An Palemon.
(Den 2ten April 1762.)
Freund! ſtaune mich nicht an. Ich komm im
ſchoͤnſten Putz,
Bin wie der Fruͤhling gruͤn, und bunt wie Blumen-
ſtuͤcke;
Dem wolckigten April, der Kaͤlte biet ich Trutz;
Mich waͤrmen andre Sonnenblicke.
Der Freund, der oft mein Tag, wenn ich ihn dachte,
war,
Zaͤhlt heute ſechsmal ſieben Jahr.
Ihm wird kein Liebes-Gott Wein in den Becher
gieſſen.
Du weißt, wie grimmig ſeine Hand
Den Pfeil aus ſeiner Bruſt geriſſen,
Und hingeworfen Hymens Band.
Ach! er zerbrach des kleinen Amors Leyer,
Und heiß von einem Heldenfeuer,
Sang er von Krieg und Vaterland
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