Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Erstes Buch. Und bricht gewaltiger hervor nach kurzer Zeit;Sie strömt in ganzer Thränen-Quelle, Die je ein Auge weinen kann; Ein nahmenloser Gram liegt vor dem todten Mann Am Herzen dieser Frau. Er wird ihr Schlafgeselle; Der Mangel sitzt auf ihrer Schwelle; Ihn, und acht Kinder sieht sie an, So bald die Sonne blickt, die eher noch erscheinet, Als diese Mutter Brodt für ihre Kinder hat. Sie netzt den Flachs, indem sie weinet, Spinnt, und verkauft das Garn dem Händler in der Stad O der Verdienst macht kaum zween kleine Magen satt! Er kleidet nicht den Sohn, den noch auf ihren Armen Die Amme tragen muß. Er fodert das Erbarmen Mit stammelnder Gewalt von dem, der fühlen kann. Seht dies verlaßne Kind, seht diese Mutter an, Erſtes Buch. Und bricht gewaltiger hervor nach kurzer Zeit;Sie ſtroͤmt in ganzer Thraͤnen-Quelle, Die je ein Auge weinen kann; Ein nahmenloſer Gram liegt vor dem todten Mann Am Herzen dieſer Frau. Er wird ihr Schlafgeſelle; Der Mangel ſitzt auf ihrer Schwelle; Ihn, und acht Kinder ſieht ſie an, So bald die Sonne blickt, die eher noch erſcheinet, Als dieſe Mutter Brodt fuͤr ihre Kinder hat. Sie netzt den Flachs, indem ſie weinet, Spinnt, und verkauft das Garn dem Haͤndler in der Stad O der Verdienſt macht kaum zween kleine Magen ſatt! Er kleidet nicht den Sohn, den noch auf ihren Armen Die Amme tragen muß. Er fodert das Erbarmen Mit ſtammelnder Gewalt von dem, der fuͤhlen kann. Seht dies verlaßne Kind, ſeht dieſe Mutter an, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0315" n="271"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſtes Buch.</hi> </fw><lb/> <l>Und bricht gewaltiger hervor nach kurzer Zeit;</l><lb/> <l>Sie ſtroͤmt in ganzer Thraͤnen-Quelle,</l><lb/> <l>Die je ein Auge weinen kann;</l><lb/> <l>Ein nahmenloſer Gram liegt vor dem todten Mann</l><lb/> <l>Am Herzen dieſer Frau. Er wird ihr Schlafgeſelle;</l><lb/> <l>Der Mangel ſitzt auf ihrer Schwelle;</l><lb/> <l>Ihn, und acht Kinder ſieht ſie an,</l><lb/> <l>So bald die Sonne blickt, die eher noch erſcheinet,</l><lb/> <l>Als dieſe Mutter Brodt fuͤr ihre Kinder hat.</l><lb/> <l>Sie netzt den Flachs, indem ſie weinet,</l><lb/> <l>Spinnt, und verkauft das Garn dem Haͤndler in</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">der Stad</hi> </l><lb/> <l>O der Verdienſt macht kaum zween kleine Magen</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſatt!</hi> </l><lb/> <l>Er kleidet nicht den Sohn, den noch auf ihren Armen</l><lb/> <l>Die Amme tragen muß. Er fodert das Erbarmen</l><lb/> <l>Mit ſtammelnder Gewalt von dem, der fuͤhlen kann.</l><lb/> <l>Seht dies verlaßne Kind, ſeht dieſe Mutter an,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0315]
Erſtes Buch.
Und bricht gewaltiger hervor nach kurzer Zeit;
Sie ſtroͤmt in ganzer Thraͤnen-Quelle,
Die je ein Auge weinen kann;
Ein nahmenloſer Gram liegt vor dem todten Mann
Am Herzen dieſer Frau. Er wird ihr Schlafgeſelle;
Der Mangel ſitzt auf ihrer Schwelle;
Ihn, und acht Kinder ſieht ſie an,
So bald die Sonne blickt, die eher noch erſcheinet,
Als dieſe Mutter Brodt fuͤr ihre Kinder hat.
Sie netzt den Flachs, indem ſie weinet,
Spinnt, und verkauft das Garn dem Haͤndler in
der Stad
O der Verdienſt macht kaum zween kleine Magen
ſatt!
Er kleidet nicht den Sohn, den noch auf ihren Armen
Die Amme tragen muß. Er fodert das Erbarmen
Mit ſtammelnder Gewalt von dem, der fuͤhlen kann.
Seht dies verlaßne Kind, ſeht dieſe Mutter an,
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