Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
des Verses die Begeisterung unterhalten, fin-
den wir durch das Beyspiel unsrer Dichterin
bestätiget. So bald sie den Ton, wie sie es
selbst nennt, und das Sylbenmaaß getroffen,
so fließt das ganze Lied ohne Müh und ohne
Bestrebung die Gedanken und Bilder zu
finden. Die feineste Wendung der Materie
und des Ausdrucks entstehen unter der Feder,
als wenn sie ihr eingegeben würden.

Wie unzweifelhaft es sey, daß unsre
Dichterin ihren Beruf allein von der Natur
bekommen habe, erhellet am deutlichsten aus
allen Umständen ihres Lebens. Denn darin
finden wir nichts, das vermögend gewesen
wäre, an statt des natürlichen Hangs einen
künstlichen Trieb zur Dichtkunst in ihr zu

Vorrede.
des Verſes die Begeiſterung unterhalten, fin-
den wir durch das Beyſpiel unſrer Dichterin
beſtaͤtiget. So bald ſie den Ton, wie ſie es
ſelbſt nennt, und das Sylbenmaaß getroffen,
ſo fließt das ganze Lied ohne Muͤh und ohne
Beſtrebung die Gedanken und Bilder zu
finden. Die feineſte Wendung der Materie
und des Ausdrucks entſtehen unter der Feder,
als wenn ſie ihr eingegeben wuͤrden.

Wie unzweifelhaft es ſey, daß unſre
Dichterin ihren Beruf allein von der Natur
bekommen habe, erhellet am deutlichſten aus
allen Umſtaͤnden ihres Lebens. Denn darin
finden wir nichts, das vermoͤgend geweſen
waͤre, an ſtatt des natuͤrlichen Hangs einen
kuͤnſtlichen Trieb zur Dichtkunſt in ihr zu

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="XI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
des Ver&#x017F;es die Begei&#x017F;terung unterhalten, fin-<lb/>
den wir durch das Bey&#x017F;piel un&#x017F;rer Dichterin<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;tiget. So bald &#x017F;ie den Ton, wie &#x017F;ie es<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nennt, und das Sylbenmaaß getroffen,<lb/>
&#x017F;o fließt das ganze Lied ohne Mu&#x0364;h und ohne<lb/>
Be&#x017F;trebung die Gedanken und Bilder zu<lb/>
finden. Die feine&#x017F;te Wendung der Materie<lb/>
und des Ausdrucks ent&#x017F;tehen unter der Feder,<lb/>
als wenn &#x017F;ie ihr eingegeben wu&#x0364;rden.</p><lb/>
        <p>Wie unzweifelhaft es &#x017F;ey, daß un&#x017F;re<lb/>
Dichterin ihren Beruf allein von der Natur<lb/>
bekommen habe, erhellet am deutlich&#x017F;ten aus<lb/>
allen Um&#x017F;ta&#x0364;nden ihres Lebens. Denn darin<lb/>
finden wir nichts, das vermo&#x0364;gend gewe&#x017F;en<lb/>
wa&#x0364;re, an &#x017F;tatt des natu&#x0364;rlichen Hangs einen<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Trieb zur Dichtkun&#x017F;t in ihr zu<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XI/0015] Vorrede. des Verſes die Begeiſterung unterhalten, fin- den wir durch das Beyſpiel unſrer Dichterin beſtaͤtiget. So bald ſie den Ton, wie ſie es ſelbſt nennt, und das Sylbenmaaß getroffen, ſo fließt das ganze Lied ohne Muͤh und ohne Beſtrebung die Gedanken und Bilder zu finden. Die feineſte Wendung der Materie und des Ausdrucks entſtehen unter der Feder, als wenn ſie ihr eingegeben wuͤrden. Wie unzweifelhaft es ſey, daß unſre Dichterin ihren Beruf allein von der Natur bekommen habe, erhellet am deutlichſten aus allen Umſtaͤnden ihres Lebens. Denn darin finden wir nichts, das vermoͤgend geweſen waͤre, an ſtatt des natuͤrlichen Hangs einen kuͤnſtlichen Trieb zur Dichtkunſt in ihr zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/15
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/15>, abgerufen am 24.11.2024.