Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
einer ihnen correspondirenden Anschauung) bewiesen wer-
den kann, sind Thatsachen (res facti) *) dergleichen
sind die mathematische Eigenschaften der Größen (in der
Geometrie), weil sie einer Darstellung a priori für
den theoretischen Vernunftgebrauch fähig sind. Ferner
sind Dinge, oder Beschaffenheiten derselben, die durch
Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung, vermittelst
der Zeugnisse) dargethan werden können, gleichfalls
Thatsachen. -- Was aber sehr merkwürdig ist, so findet
sich sogar eine Vernunftidee (die an sich keiner Darstel-
lung in der Anschauung, mithin auch keines theoreti-
schen Beweises ihrer Möglichkeit, fähig ist unter den
Thatsachen und das ist die Jdee der Freyheit, deren
Realität, als einer besondern Art von Caussalität, (von
welcher der Begrif in theoretischem Betracht überschweng-
lich seyn würde) sich durch practische Gesetze der reinen
Vernunft und, diesen gemäs, in wirklichen Handlun-
gen, mithin in der Erfahrung darthun läßt. -- Die
einzige unter allen Jdeen der reinen Vernunft, deren

*) Jch erweitere hier, wie mich dünkt mit Recht den Begrif
einer Thatsache über die gewöhnliche Bedeutung dieses
Worts. Denn es ist nicht nöthig, ja nicht einmal thunlich,
diesen Ausdruck blos auf die wirkliche Erfahrung einzu-
schränken, wenn von dem Verhältnisse der Dinge zu unseren
Erkenntnisvermögen die Rede ist, da eine blos mögliche Er-
fahrung schon hinreichend ist, um von ihnen blos als Ge-
genständen einer bestimmten Erkenntnisart, zu reden.
F f 2

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
einer ihnen correſpondirenden Anſchauung) bewieſen wer-
den kann, ſind Thatſachen (res facti) *) dergleichen
ſind die mathematiſche Eigenſchaften der Groͤßen (in der
Geometrie), weil ſie einer Darſtellung a priori fuͤr
den theoretiſchen Vernunftgebrauch faͤhig ſind. Ferner
ſind Dinge, oder Beſchaffenheiten derſelben, die durch
Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung, vermittelſt
der Zeugniſſe) dargethan werden koͤnnen, gleichfalls
Thatſachen. — Was aber ſehr merkwuͤrdig iſt, ſo findet
ſich ſogar eine Vernunftidee (die an ſich keiner Darſtel-
lung in der Anſchauung, mithin auch keines theoreti-
ſchen Beweiſes ihrer Moͤglichkeit, faͤhig iſt unter den
Thatſachen und das iſt die Jdee der Freyheit, deren
Realitaͤt, als einer beſondern Art von Cauſſalitaͤt, (von
welcher der Begrif in theoretiſchem Betracht uͤberſchweng-
lich ſeyn wuͤrde) ſich durch practiſche Geſetze der reinen
Vernunft und, dieſen gemaͤs, in wirklichen Handlun-
gen, mithin in der Erfahrung darthun laͤßt. — Die
einzige unter allen Jdeen der reinen Vernunft, deren

*) Jch erweitere hier, wie mich duͤnkt mit Recht den Begrif
einer Thatſache uͤber die gewoͤhnliche Bedeutung dieſes
Worts. Denn es iſt nicht noͤthig, ja nicht einmal thunlich,
dieſen Ausdruck blos auf die wirkliche Erfahrung einzu-
ſchraͤnken, wenn von dem Verhaͤltniſſe der Dinge zu unſeren
Erkenntnisvermoͤgen die Rede iſt, da eine blos moͤgliche Er-
fahrung ſchon hinreichend iſt, um von ihnen blos als Ge-
genſtaͤnden einer beſtimmten Erkenntnisart, zu reden.
F f 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0515" n="451"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
einer ihnen corre&#x017F;pondirenden An&#x017F;chauung) bewie&#x017F;en wer-<lb/>
den kann, &#x017F;ind <hi rendition="#fr">That&#x017F;achen</hi> (<hi rendition="#aq">res facti)</hi> <note place="foot" n="*)">Jch erweitere hier, wie mich du&#x0364;nkt mit Recht den Begrif<lb/>
einer That&#x017F;ache u&#x0364;ber die gewo&#x0364;hnliche Bedeutung die&#x017F;es<lb/>
Worts. Denn es i&#x017F;t nicht no&#x0364;thig, ja nicht einmal thunlich,<lb/>
die&#x017F;en Ausdruck blos auf die wirkliche Erfahrung einzu-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nken, wenn von dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Dinge zu un&#x017F;eren<lb/>
Erkenntnisvermo&#x0364;gen die Rede i&#x017F;t, da eine blos mo&#x0364;gliche Er-<lb/>
fahrung &#x017F;chon hinreichend i&#x017F;t, um von ihnen blos als Ge-<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nden einer be&#x017F;timmten Erkenntnisart, zu reden.</note> dergleichen<lb/>
&#x017F;ind die mathemati&#x017F;che Eigen&#x017F;chaften der Gro&#x0364;ßen (in der<lb/>
Geometrie), weil &#x017F;ie einer <hi rendition="#fr">Dar&#x017F;tellung</hi> <hi rendition="#aq">a priori</hi> fu&#x0364;r<lb/>
den theoreti&#x017F;chen Vernunftgebrauch fa&#x0364;hig &#x017F;ind. Ferner<lb/>
&#x017F;ind Dinge, oder Be&#x017F;chaffenheiten der&#x017F;elben, die durch<lb/>
Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung, vermittel&#x017F;t<lb/>
der Zeugni&#x017F;&#x017F;e) dargethan werden ko&#x0364;nnen, gleichfalls<lb/>
That&#x017F;achen. &#x2014; Was aber &#x017F;ehr merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t, &#x017F;o findet<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ogar eine Vernunftidee (die an &#x017F;ich keiner Dar&#x017F;tel-<lb/>
lung in der An&#x017F;chauung, mithin auch keines theoreti-<lb/>
&#x017F;chen Bewei&#x017F;es ihrer Mo&#x0364;glichkeit, fa&#x0364;hig i&#x017F;t unter den<lb/>
That&#x017F;achen und das i&#x017F;t die Jdee der <hi rendition="#fr">Freyheit</hi>, deren<lb/>
Realita&#x0364;t, als einer be&#x017F;ondern Art von Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t, (von<lb/>
welcher der Begrif in theoreti&#x017F;chem Betracht u&#x0364;ber&#x017F;chweng-<lb/>
lich &#x017F;eyn wu&#x0364;rde) &#x017F;ich durch practi&#x017F;che Ge&#x017F;etze der reinen<lb/>
Vernunft und, die&#x017F;en gema&#x0364;s, in wirklichen Handlun-<lb/>
gen, mithin in der Erfahrung darthun la&#x0364;ßt. &#x2014; Die<lb/>
einzige unter allen Jdeen der reinen Vernunft, deren<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f 2</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[451/0515] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. einer ihnen correſpondirenden Anſchauung) bewieſen wer- den kann, ſind Thatſachen (res facti) *) dergleichen ſind die mathematiſche Eigenſchaften der Groͤßen (in der Geometrie), weil ſie einer Darſtellung a priori fuͤr den theoretiſchen Vernunftgebrauch faͤhig ſind. Ferner ſind Dinge, oder Beſchaffenheiten derſelben, die durch Erfahrung (eigene oder fremde Erfahrung, vermittelſt der Zeugniſſe) dargethan werden koͤnnen, gleichfalls Thatſachen. — Was aber ſehr merkwuͤrdig iſt, ſo findet ſich ſogar eine Vernunftidee (die an ſich keiner Darſtel- lung in der Anſchauung, mithin auch keines theoreti- ſchen Beweiſes ihrer Moͤglichkeit, faͤhig iſt unter den Thatſachen und das iſt die Jdee der Freyheit, deren Realitaͤt, als einer beſondern Art von Cauſſalitaͤt, (von welcher der Begrif in theoretiſchem Betracht uͤberſchweng- lich ſeyn wuͤrde) ſich durch practiſche Geſetze der reinen Vernunft und, dieſen gemaͤs, in wirklichen Handlun- gen, mithin in der Erfahrung darthun laͤßt. — Die einzige unter allen Jdeen der reinen Vernunft, deren *) Jch erweitere hier, wie mich duͤnkt mit Recht den Begrif einer Thatſache uͤber die gewoͤhnliche Bedeutung dieſes Worts. Denn es iſt nicht noͤthig, ja nicht einmal thunlich, dieſen Ausdruck blos auf die wirkliche Erfahrung einzu- ſchraͤnken, wenn von dem Verhaͤltniſſe der Dinge zu unſeren Erkenntnisvermoͤgen die Rede iſt, da eine blos moͤgliche Er- fahrung ſchon hinreichend iſt, um von ihnen blos als Ge- genſtaͤnden einer beſtimmten Erkenntnisart, zu reden. F f 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/515
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/515>, abgerufen am 05.12.2024.