Das Resultat hievon ist: daß für das Daseyn des Urwesens, als einer Gottheit, oder der Seele, als eines unsterblichen Geistes, schlechterdings kein Beweis in theoretischer Absicht, um auch nur den mindesten Grad des Fürwahrhaltens zu wirken, für die menschliche Vernunft möglich sey; und dieses aus dem ganz begreiflichen Grunde, weil zur Bestimmung der Jdeen des Ueberfinn- lichen für uns gar kein Stoff da ist, indem wir diesen letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen müßten, ein solcher aber jenem Objecte schlechterdings nicht angemessen ist, aber, ohne alle Bestimmung dersel- ben, nichts mehr, als der Begrif von einem nicht-sinn- lichen Etwas übrig bleibt, welches den letzten Grund der Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Er- weiterung des Begrifs) von seiner inneren Beschaffenheit ausmacht.
§. 91. Von der Art des Fürwarhaltens durch einen practischen Glauben.
Wenn wir blos auf die Art sehen, wie etwas für uns (nach der subjectiven Beschaffenheit unserer Vor- stellungskräfte) Object der Erkenntnis (res cognoscibilis) seyn kann: so werden alsdann die Begriffe nicht mit den Objecten, sondern blos mit unserm Erkenntnisvermögen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen Vor- stellung (in theoretischer oder practischer Absicht) machen
kön-
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Das Reſultat hievon iſt: daß fuͤr das Daſeyn des Urweſens, als einer Gottheit, oder der Seele, als eines unſterblichen Geiſtes, ſchlechterdings kein Beweis in theoretiſcher Abſicht, um auch nur den mindeſten Grad des Fuͤrwahrhaltens zu wirken, fuͤr die menſchliche Vernunft moͤglich ſey; und dieſes aus dem ganz begreiflichen Grunde, weil zur Beſtimmung der Jdeen des Ueberfinn- lichen fuͤr uns gar kein Stoff da iſt, indem wir dieſen letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen muͤßten, ein ſolcher aber jenem Objecte ſchlechterdings nicht angemeſſen iſt, aber, ohne alle Beſtimmung derſel- ben, nichts mehr, als der Begrif von einem nicht-ſinn- lichen Etwas uͤbrig bleibt, welches den letzten Grund der Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Er- weiterung des Begrifs) von ſeiner inneren Beſchaffenheit ausmacht.
§. 91. Von der Art des Fuͤrwarhaltens durch einen practiſchen Glauben.
Wenn wir blos auf die Art ſehen, wie etwas fuͤr uns (nach der ſubjectiven Beſchaffenheit unſerer Vor- ſtellungskraͤfte) Object der Erkenntnis (res cognoſcibilis) ſeyn kann: ſo werden alsdann die Begriffe nicht mit den Objecten, ſondern blos mit unſerm Erkenntnisvermoͤgen und dem Gebrauche, den dieſe von der gegebenen Vor- ſtellung (in theoretiſcher oder practiſcher Abſicht) machen
koͤn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><list><item><pbfacs="#f0512"n="448"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/><p>Das Reſultat hievon iſt: daß fuͤr das Daſeyn des<lb/>
Urweſens, als einer Gottheit, oder der Seele, als eines<lb/>
unſterblichen Geiſtes, ſchlechterdings kein Beweis in<lb/>
theoretiſcher Abſicht, um auch nur den mindeſten Grad des<lb/>
Fuͤrwahrhaltens zu wirken, fuͤr die menſchliche Vernunft<lb/>
moͤglich ſey; und dieſes aus dem ganz begreiflichen<lb/>
Grunde, weil zur Beſtimmung der Jdeen des Ueberfinn-<lb/>
lichen fuͤr uns gar kein Stoff da iſt, indem wir dieſen<lb/>
letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen<lb/>
muͤßten, ein ſolcher aber jenem Objecte ſchlechterdings<lb/>
nicht angemeſſen iſt, aber, ohne alle Beſtimmung derſel-<lb/>
ben, nichts mehr, als der Begrif von einem nicht-ſinn-<lb/>
lichen Etwas uͤbrig bleibt, welches den letzten Grund der<lb/>
Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Er-<lb/>
weiterung des Begrifs) von ſeiner inneren Beſchaffenheit<lb/>
ausmacht.</p></item></list></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">§. 91.<lb/>
Von der Art des Fuͤrwarhaltens durch einen<lb/>
practiſchen Glauben.</hi></head><lb/><p>Wenn wir blos auf die Art ſehen, wie etwas <hirendition="#fr">fuͤr<lb/>
uns</hi> (nach der ſubjectiven Beſchaffenheit unſerer Vor-<lb/>ſtellungskraͤfte) Object der Erkenntnis <hirendition="#aq">(res cognoſcibilis)</hi><lb/>ſeyn kann: ſo werden alsdann die Begriffe nicht mit den<lb/>
Objecten, ſondern blos mit unſerm Erkenntnisvermoͤgen<lb/>
und dem Gebrauche, den dieſe von der gegebenen Vor-<lb/>ſtellung (in theoretiſcher oder practiſcher Abſicht) machen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">koͤn-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[448/0512]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Das Reſultat hievon iſt: daß fuͤr das Daſeyn des
Urweſens, als einer Gottheit, oder der Seele, als eines
unſterblichen Geiſtes, ſchlechterdings kein Beweis in
theoretiſcher Abſicht, um auch nur den mindeſten Grad des
Fuͤrwahrhaltens zu wirken, fuͤr die menſchliche Vernunft
moͤglich ſey; und dieſes aus dem ganz begreiflichen
Grunde, weil zur Beſtimmung der Jdeen des Ueberfinn-
lichen fuͤr uns gar kein Stoff da iſt, indem wir dieſen
letzteren von Dingen in der Sinnenwelt hernehmen
muͤßten, ein ſolcher aber jenem Objecte ſchlechterdings
nicht angemeſſen iſt, aber, ohne alle Beſtimmung derſel-
ben, nichts mehr, als der Begrif von einem nicht-ſinn-
lichen Etwas uͤbrig bleibt, welches den letzten Grund der
Sinnenwelt enthalte, der noch kein Erkenntnis (als Er-
weiterung des Begrifs) von ſeiner inneren Beſchaffenheit
ausmacht.
§. 91.
Von der Art des Fuͤrwarhaltens durch einen
practiſchen Glauben.
Wenn wir blos auf die Art ſehen, wie etwas fuͤr
uns (nach der ſubjectiven Beſchaffenheit unſerer Vor-
ſtellungskraͤfte) Object der Erkenntnis (res cognoſcibilis)
ſeyn kann: ſo werden alsdann die Begriffe nicht mit den
Objecten, ſondern blos mit unſerm Erkenntnisvermoͤgen
und dem Gebrauche, den dieſe von der gegebenen Vor-
ſtellung (in theoretiſcher oder practiſcher Abſicht) machen
koͤn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/512>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.