deren Wesen als dem sinnlich bedingten Menschen ken- nen) denken soll, liegt das Verbot, ihm diesen nicht in der eigentlichen Bedeutung beyzulegen. *)
3) Meynen findet in Urtheilen a priori gar nicht statt; sondern man erkennt durch sie entweder etwas als ganz gewis, oder gar nichts. Wenn aber auch die gege- bene Beweisgründe, von denen wir ausgehen, (wie hier von den Zwecken in der Welt), empirisch sind, so kann man mit diesen doch über die Sinnenwelt hinaus nichts meynen, und solchen gewagten Urtheilen den mindesten Anspruch auf Warscheinlichkeit zugestehen. Denn War- scheinlichkeit ist ein Theil einer in einer gewissen Reihe der Gründe möglichen Gewisheit (die Gründe derselben werden darinn mit dem Zureichenden, als Theile mit einem Ganzen, verglichen) zu welchen jener unzureichende Grund muß ergänzt werden können. Weil sie aber als Bestimmungsgründe der Gewisheit eines und desselben Urtheils gleichartig seyn müssen, indem sie sonst nicht zusammen eine Größe (dergleichen die Gewisheit ist) ausmachen würden: so kann nicht ein Theil derselben innerhalb den Grenzen möglicher Erfahrung, ein ande- rer außerhalb aller möglichen Erfahrung liegen, mit- hin, da blos-empirische Beweisgründe auf nichts Ueber-
*) Man vermißt dadurch nicht das Mindeste in der Vorstel- lung der Verhältnisse dieses Wesens zur Welt, so wohl was die theoretische als practische Folgerungen aus diesem Be- griffe betrift. Was es an sich selbst sey erforschen zu wollen, ist ein eben so zweckloser, als vergeblicher Vorwitz.
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
deren Weſen als dem ſinnlich bedingten Menſchen ken- nen) denken ſoll, liegt das Verbot, ihm dieſen nicht in der eigentlichen Bedeutung beyzulegen. *)
3) Meynen findet in Urtheilen a priori gar nicht ſtatt; ſondern man erkennt durch ſie entweder etwas als ganz gewis, oder gar nichts. Wenn aber auch die gege- bene Beweisgruͤnde, von denen wir ausgehen, (wie hier von den Zwecken in der Welt), empiriſch ſind, ſo kann man mit dieſen doch uͤber die Sinnenwelt hinaus nichts meynen, und ſolchen gewagten Urtheilen den mindeſten Anſpruch auf Warſcheinlichkeit zugeſtehen. Denn War- ſcheinlichkeit iſt ein Theil einer in einer gewiſſen Reihe der Gruͤnde moͤglichen Gewisheit (die Gruͤnde derſelben werden darinn mit dem Zureichenden, als Theile mit einem Ganzen, verglichen) zu welchen jener unzureichende Grund muß ergaͤnzt werden koͤnnen. Weil ſie aber als Beſtimmungsgruͤnde der Gewisheit eines und deſſelben Urtheils gleichartig ſeyn muͤſſen, indem ſie ſonſt nicht zuſammen eine Groͤße (dergleichen die Gewisheit iſt) ausmachen wuͤrden: ſo kann nicht ein Theil derſelben innerhalb den Grenzen moͤglicher Erfahrung, ein ande- rer außerhalb aller moͤglichen Erfahrung liegen, mit- hin, da blos-empiriſche Beweisgruͤnde auf nichts Ueber-
*) Man vermißt dadurch nicht das Mindeſte in der Vorſtel- lung der Verhaͤltniſſe dieſes Weſens zur Welt, ſo wohl was die theoretiſche als practiſche Folgerungen aus dieſem Be- griffe betrift. Was es an ſich ſelbſt ſey erforſchen zu wollen, iſt ein eben ſo zweckloſer, als vergeblicher Vorwitz.
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
deren Weſen als dem ſinnlich bedingten Menſchen ken-
nen) denken ſoll, liegt das Verbot, ihm dieſen nicht in
der eigentlichen Bedeutung beyzulegen. *)
3) Meynen findet in Urtheilen a priori gar nicht
ſtatt; ſondern man erkennt durch ſie entweder etwas als
ganz gewis, oder gar nichts. Wenn aber auch die gege-
bene Beweisgruͤnde, von denen wir ausgehen, (wie hier
von den Zwecken in der Welt), empiriſch ſind, ſo kann
man mit dieſen doch uͤber die Sinnenwelt hinaus nichts
meynen, und ſolchen gewagten Urtheilen den mindeſten
Anſpruch auf Warſcheinlichkeit zugeſtehen. Denn War-
ſcheinlichkeit iſt ein Theil einer in einer gewiſſen Reihe
der Gruͤnde moͤglichen Gewisheit (die Gruͤnde derſelben
werden darinn mit dem Zureichenden, als Theile mit
einem Ganzen, verglichen) zu welchen jener unzureichende
Grund muß ergaͤnzt werden koͤnnen. Weil ſie aber als
Beſtimmungsgruͤnde der Gewisheit eines und deſſelben
Urtheils gleichartig ſeyn muͤſſen, indem ſie ſonſt nicht
zuſammen eine Groͤße (dergleichen die Gewisheit iſt)
ausmachen wuͤrden: ſo kann nicht ein Theil derſelben
innerhalb den Grenzen moͤglicher Erfahrung, ein ande-
rer außerhalb aller moͤglichen Erfahrung liegen, mit-
hin, da blos-empiriſche Beweisgruͤnde auf nichts Ueber-
*) Man vermißt dadurch nicht das Mindeſte in der Vorſtel-
lung der Verhaͤltniſſe dieſes Weſens zur Welt, ſo wohl was
die theoretiſche als practiſche Folgerungen aus dieſem Be-
griffe betrift. Was es an ſich ſelbſt ſey erforſchen zu wollen,
iſt ein eben ſo zweckloſer, als vergeblicher Vorwitz.
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/510>, abgerufen am 05.12.2024.
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