§. 87. Von den moralischen Beweise des Daseyns Gottes.
Es giebt eine physische Theologie, welche ei- nen für unsere theoretisch reflectirende Urtheilskraft hin- reichenden Beweisgrund an die Hand giebt, das Da- seyn einer verständigen Weltursache anzunehmen. Wir finden aber in uns selbst und, noch mehr in dem Be- griffe eines vernünftigen mit Freyheit (seiner Caussa- lität) begabten Wesens überhaupt, auch eine morali- sche Teleologie, die aber, weil die Zweckbeziehung in uns selbst a priori, samt dem Gesetze derselben, be- stimmt, mithin als nothwendig erkannt werden kann, zu diesem Behuf keiner verständigen Ursache ausser uns für diese innere Gesetzmäßigkeit bedarf, so wenig, als wir bey dem, was wir in den geometrischen Eigenschaf- ten der Figuren (für allerley mögliche Kunstausübung) zweckmäßiges finden, auf einen ihnen dieses ertheilen- den höchsten Verstand hinaus sehen dürfen. Aber diese moralische Teleologie betrift doch uns, als Weltwesen und also mit andern Dingen in der Welt verbundene Wesen, auf welche letztere, entweder als Zwecke oder uns selbst in Ansehung ihrer als Endzweck, unsere Beurtheilung zu richten, eben dieselbe moralische Gesetze uns zur Vorschrift machen. Von dieser moralischen Te- leologie nun, welche die Beziehung unserer eigenen
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 87. Von den moraliſchen Beweiſe des Daſeyns Gottes.
Es giebt eine phyſiſche Theologie, welche ei- nen fuͤr unſere theoretiſch reflectirende Urtheilskraft hin- reichenden Beweisgrund an die Hand giebt, das Da- ſeyn einer verſtaͤndigen Welturſache anzunehmen. Wir finden aber in uns ſelbſt und, noch mehr in dem Be- griffe eines vernuͤnftigen mit Freyheit (ſeiner Cauſſa- litaͤt) begabten Weſens uͤberhaupt, auch eine morali- ſche Teleologie, die aber, weil die Zweckbeziehung in uns ſelbſt a priori, ſamt dem Geſetze derſelben, be- ſtimmt, mithin als nothwendig erkannt werden kann, zu dieſem Behuf keiner verſtaͤndigen Urſache auſſer uns fuͤr dieſe innere Geſetzmaͤßigkeit bedarf, ſo wenig, als wir bey dem, was wir in den geometriſchen Eigenſchaf- ten der Figuren (fuͤr allerley moͤgliche Kunſtausuͤbung) zweckmaͤßiges finden, auf einen ihnen dieſes ertheilen- den hoͤchſten Verſtand hinaus ſehen duͤrfen. Aber dieſe moraliſche Teleologie betrift doch uns, als Weltweſen und alſo mit andern Dingen in der Welt verbundene Weſen, auf welche letztere, entweder als Zwecke oder uns ſelbſt in Anſehung ihrer als Endzweck, unſere Beurtheilung zu richten, eben dieſelbe moraliſche Geſetze uns zur Vorſchrift machen. Von dieſer moraliſchen Te- leologie nun, welche die Beziehung unſerer eigenen
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 87.
Von den moraliſchen Beweiſe des Daſeyns
Gottes.
Es giebt eine phyſiſche Theologie, welche ei-
nen fuͤr unſere theoretiſch reflectirende Urtheilskraft hin-
reichenden Beweisgrund an die Hand giebt, das Da-
ſeyn einer verſtaͤndigen Welturſache anzunehmen. Wir
finden aber in uns ſelbſt und, noch mehr in dem Be-
griffe eines vernuͤnftigen mit Freyheit (ſeiner Cauſſa-
litaͤt) begabten Weſens uͤberhaupt, auch eine morali-
ſche Teleologie, die aber, weil die Zweckbeziehung
in uns ſelbſt a priori, ſamt dem Geſetze derſelben, be-
ſtimmt, mithin als nothwendig erkannt werden kann,
zu dieſem Behuf keiner verſtaͤndigen Urſache auſſer uns
fuͤr dieſe innere Geſetzmaͤßigkeit bedarf, ſo wenig, als
wir bey dem, was wir in den geometriſchen Eigenſchaf-
ten der Figuren (fuͤr allerley moͤgliche Kunſtausuͤbung)
zweckmaͤßiges finden, auf einen ihnen dieſes ertheilen-
den hoͤchſten Verſtand hinaus ſehen duͤrfen. Aber dieſe
moraliſche Teleologie betrift doch uns, als Weltweſen
und alſo mit andern Dingen in der Welt verbundene
Weſen, auf welche letztere, entweder als Zwecke oder
uns ſelbſt in Anſehung ihrer als Endzweck, unſere
Beurtheilung zu richten, eben dieſelbe moraliſche Geſetze
uns zur Vorſchrift machen. Von dieſer moraliſchen Te-
leologie nun, welche die Beziehung unſerer eigenen
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/478>, abgerufen am 20.11.2024.
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