den Beytritt der Uebrigen, oder bessert sich etwa selbst aus, wenn sie in Unordnung gerathen ist, welches alles wir dagegen von der organisirten Natur erwarten kön- nen. -- Ein organisirtes Wesen ist also nicht blos Ma- schine, denn die hat lediglich bewegende Kraft, son- dern besitzt in sich bildende Kraft und zwar eine solche, die sie den Materien mittheilt, welche sie nicht haben, (sie organisirt): also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den Mechanism) nicht erklärt werden kann.
Man sagt von der Natur und ihrem Vermögen in organisirten Producten bey weitem zu wenig, wenn man dieses ein Analogon der Kunst nennt; denn da denkt man sich den Künstler (ein vernünftiges Wesen) ausser ihr. Sie organisirt sich vielmehr selbst und in jeder Species ihrer organisirten Producte, zwar nach einerley Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit schicklichen Abweichungen, die die Selbsterhaltung nach den Um- ständen erfordert. Näher tritt man vielleicht dieser uner- forschlichen Eigenschaft, wenn man sie ein Analogon des Lebens nennt; aber da muß man entweder die Materie als bloße Materie mit einer Eigenschaft (Hylo- zoism) begaben, die ihrem Wesen wiederstreitet, oder ihr ein fremdartiges mit ihr in Gemeinschaft stehen- des Princip (eine Seele) beygesellen, wozu man aber, wenn ein solches Product ein Naturproduct seyn soll, organisirte Materie als Werkzeng jener Seele entweder
Kants Crit. d. Urtheilskr. T
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
den Beytritt der Uebrigen, oder beſſert ſich etwa ſelbſt aus, wenn ſie in Unordnung gerathen iſt, welches alles wir dagegen von der organiſirten Natur erwarten koͤn- nen. — Ein organiſirtes Weſen iſt alſo nicht blos Ma- ſchine, denn die hat lediglich bewegende Kraft, ſon- dern beſitzt in ſich bildende Kraft und zwar eine ſolche, die ſie den Materien mittheilt, welche ſie nicht haben, (ſie organiſirt): alſo eine ſich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermoͤgen allein (den Mechanism) nicht erklaͤrt werden kann.
Man ſagt von der Natur und ihrem Vermoͤgen in organiſirten Producten bey weitem zu wenig, wenn man dieſes ein Analogon der Kunſt nennt; denn da denkt man ſich den Kuͤnſtler (ein vernuͤnftiges Weſen) auſſer ihr. Sie organiſirt ſich vielmehr ſelbſt und in jeder Species ihrer organiſirten Producte, zwar nach einerley Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit ſchicklichen Abweichungen, die die Selbſterhaltung nach den Um- ſtaͤnden erfordert. Naͤher tritt man vielleicht dieſer uner- forſchlichen Eigenſchaft, wenn man ſie ein Analogon des Lebens nennt; aber da muß man entweder die Materie als bloße Materie mit einer Eigenſchaft (Hylo- zoism) begaben, die ihrem Weſen wiederſtreitet, oder ihr ein fremdartiges mit ihr in Gemeinſchaft ſtehen- des Princip (eine Seele) beygeſellen, wozu man aber, wenn ein ſolches Product ein Naturproduct ſeyn ſoll, organiſirte Materie als Werkzeng jener Seele entweder
Kants Crit. d. Urtheilskr. T
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0353"n="289"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/>
den Beytritt der Uebrigen, oder beſſert ſich etwa ſelbſt<lb/>
aus, wenn ſie in Unordnung gerathen iſt, welches alles<lb/>
wir dagegen von der organiſirten Natur erwarten koͤn-<lb/>
nen. — Ein organiſirtes Weſen iſt alſo nicht blos Ma-<lb/>ſchine, denn die hat lediglich <hirendition="#fr">bewegende</hi> Kraft, ſon-<lb/>
dern beſitzt in ſich <hirendition="#fr">bildende</hi> Kraft und zwar eine ſolche,<lb/>
die ſie den Materien mittheilt, welche ſie nicht haben,<lb/>
(ſie organiſirt): alſo eine ſich fortpflanzende bildende<lb/>
Kraft, welche durch das Bewegungsvermoͤgen allein<lb/>
(den Mechanism) nicht erklaͤrt werden kann.</p><lb/><p>Man ſagt von der Natur und ihrem Vermoͤgen in<lb/>
organiſirten Producten bey weitem zu wenig, wenn man<lb/>
dieſes ein <hirendition="#fr">Analogon der Kunſt</hi> nennt; denn da denkt<lb/>
man ſich den Kuͤnſtler (ein vernuͤnftiges Weſen) auſſer<lb/>
ihr. Sie organiſirt ſich vielmehr ſelbſt und in jeder<lb/>
Species ihrer organiſirten Producte, zwar nach einerley<lb/>
Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit ſchicklichen<lb/>
Abweichungen, die die Selbſterhaltung nach den Um-<lb/>ſtaͤnden erfordert. Naͤher tritt man vielleicht dieſer uner-<lb/>
forſchlichen Eigenſchaft, wenn man ſie ein <hirendition="#fr">Analogon<lb/>
des Lebens</hi> nennt; aber da muß man entweder die<lb/>
Materie als bloße Materie mit einer Eigenſchaft (Hylo-<lb/>
zoism) begaben, die ihrem Weſen wiederſtreitet, oder<lb/>
ihr ein fremdartiges mit ihr <hirendition="#fr">in Gemeinſchaft ſtehen-<lb/>
des</hi> Princip (eine Seele) beygeſellen, wozu man aber,<lb/>
wenn ein ſolches Product ein Naturproduct ſeyn ſoll,<lb/>
organiſirte Materie als Werkzeng jener Seele entweder<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Kants Crit. d. Urtheilskr.</hi> T</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[289/0353]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
den Beytritt der Uebrigen, oder beſſert ſich etwa ſelbſt
aus, wenn ſie in Unordnung gerathen iſt, welches alles
wir dagegen von der organiſirten Natur erwarten koͤn-
nen. — Ein organiſirtes Weſen iſt alſo nicht blos Ma-
ſchine, denn die hat lediglich bewegende Kraft, ſon-
dern beſitzt in ſich bildende Kraft und zwar eine ſolche,
die ſie den Materien mittheilt, welche ſie nicht haben,
(ſie organiſirt): alſo eine ſich fortpflanzende bildende
Kraft, welche durch das Bewegungsvermoͤgen allein
(den Mechanism) nicht erklaͤrt werden kann.
Man ſagt von der Natur und ihrem Vermoͤgen in
organiſirten Producten bey weitem zu wenig, wenn man
dieſes ein Analogon der Kunſt nennt; denn da denkt
man ſich den Kuͤnſtler (ein vernuͤnftiges Weſen) auſſer
ihr. Sie organiſirt ſich vielmehr ſelbſt und in jeder
Species ihrer organiſirten Producte, zwar nach einerley
Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit ſchicklichen
Abweichungen, die die Selbſterhaltung nach den Um-
ſtaͤnden erfordert. Naͤher tritt man vielleicht dieſer uner-
forſchlichen Eigenſchaft, wenn man ſie ein Analogon
des Lebens nennt; aber da muß man entweder die
Materie als bloße Materie mit einer Eigenſchaft (Hylo-
zoism) begaben, die ihrem Weſen wiederſtreitet, oder
ihr ein fremdartiges mit ihr in Gemeinſchaft ſtehen-
des Princip (eine Seele) beygeſellen, wozu man aber,
wenn ein ſolches Product ein Naturproduct ſeyn ſoll,
organiſirte Materie als Werkzeng jener Seele entweder
Kants Crit. d. Urtheilskr. T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/353>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.