dere) nur unter der Bedingung, daß die Existenz des- jenigen, dem es zunächst, oder auf entfernte Weise zuträglich ist, für sich selbst Zweck der Natur sey, für einen äußern Nuturzweck angesehen werden könne. Da jenes aber, durch bloße Naturbetrachtung nim- mermehr auszumachen ist, so folgt daß die relative Zweckmäßigkeit, ob sie gleich hypothetisch auf Natur- zwecke Anzeige giebt, dennoch zu keinem absoluten teleologischen Urtheile berechtige.
Der Schnee sichert die Saaten in kalten Ländern wider den Frost, er erleichtert die Gemeinschaft der Menschen (durch Schlitten), der Lappländer findet dort Thiere, die diese Gemeinschaft bewirken (Renn- thiere) und die an einem dürren Moose, welches sie sich selbst unter dem Schnee hervorscharren müssen, hinreichende Nahrung finden und gleichwohl sich leicht zähmen und der Freyheit, in der sie sich gar wohl erhal- ten könnten, willig berauben lassen. Für andere in derselben Eiszone enthält das Meer reichen Vorrath an Thieren, die, ausser der Nahrung und Kleidung, die sie liefern, und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichsam hinflößet, ihnen noch Brennmaterien zur Erwärmung ihrer Hütten liefern. Hier ist nun eine bewundernswürdige Zusammenkunft von so viel Beziehungen der Natur auf einen Zweck; und dieser ist der Grönländer, der Lappe, der Samo- jede, oder Jakute u. s. w. Aber man sieht nicht, wa-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
dere) nur unter der Bedingung, daß die Exiſtenz des- jenigen, dem es zunaͤchſt, oder auf entfernte Weiſe zutraͤglich iſt, fuͤr ſich ſelbſt Zweck der Natur ſey, fuͤr einen aͤußern Nuturzweck angeſehen werden koͤnne. Da jenes aber, durch bloße Naturbetrachtung nim- mermehr auszumachen iſt, ſo folgt daß die relative Zweckmaͤßigkeit, ob ſie gleich hypothetiſch auf Natur- zwecke Anzeige giebt, dennoch zu keinem abſoluten teleologiſchen Urtheile berechtige.
Der Schnee ſichert die Saaten in kalten Laͤndern wider den Froſt, er erleichtert die Gemeinſchaft der Menſchen (durch Schlitten), der Lapplaͤnder findet dort Thiere, die dieſe Gemeinſchaft bewirken (Renn- thiere) und die an einem duͤrren Mooſe, welches ſie ſich ſelbſt unter dem Schnee hervorſcharren muͤſſen, hinreichende Nahrung finden und gleichwohl ſich leicht zaͤhmen und der Freyheit, in der ſie ſich gar wohl erhal- ten koͤnnten, willig berauben laſſen. Fuͤr andere in derſelben Eiszone enthaͤlt das Meer reichen Vorrath an Thieren, die, auſſer der Nahrung und Kleidung, die ſie liefern, und dem Holze, welches ihnen das Meer zu Wohnungen gleichſam hinfloͤßet, ihnen noch Brennmaterien zur Erwaͤrmung ihrer Huͤtten liefern. Hier iſt nun eine bewundernswuͤrdige Zuſammenkunft von ſo viel Beziehungen der Natur auf einen Zweck; und dieſer iſt der Groͤnlaͤnder, der Lappe, der Samo- jede, oder Jakute u. ſ. w. Aber man ſieht nicht, wa-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
dere) nur unter der Bedingung, daß die Exiſtenz des-
jenigen, dem es zunaͤchſt, oder auf entfernte Weiſe
zutraͤglich iſt, fuͤr ſich ſelbſt Zweck der Natur ſey, fuͤr
einen aͤußern Nuturzweck angeſehen werden koͤnne.
Da jenes aber, durch bloße Naturbetrachtung nim-
mermehr auszumachen iſt, ſo folgt daß die relative
Zweckmaͤßigkeit, ob ſie gleich hypothetiſch auf Natur-
zwecke Anzeige giebt, dennoch zu keinem abſoluten
teleologiſchen Urtheile berechtige.
Der Schnee ſichert die Saaten in kalten Laͤndern
wider den Froſt, er erleichtert die Gemeinſchaft der
Menſchen (durch Schlitten), der Lapplaͤnder findet
dort Thiere, die dieſe Gemeinſchaft bewirken (Renn-
thiere) und die an einem duͤrren Mooſe, welches ſie
ſich ſelbſt unter dem Schnee hervorſcharren muͤſſen,
hinreichende Nahrung finden und gleichwohl ſich leicht
zaͤhmen und der Freyheit, in der ſie ſich gar wohl erhal-
ten koͤnnten, willig berauben laſſen. Fuͤr andere in
derſelben Eiszone enthaͤlt das Meer reichen Vorrath
an Thieren, die, auſſer der Nahrung und Kleidung,
die ſie liefern, und dem Holze, welches ihnen das
Meer zu Wohnungen gleichſam hinfloͤßet, ihnen noch
Brennmaterien zur Erwaͤrmung ihrer Huͤtten liefern.
Hier iſt nun eine bewundernswuͤrdige Zuſammenkunft
von ſo viel Beziehungen der Natur auf einen Zweck;
und dieſer iſt der Groͤnlaͤnder, der Lappe, der Samo-
jede, oder Jakute u. ſ. w. Aber man ſieht nicht, wa-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/343>, abgerufen am 27.11.2024.
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