Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.II. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft. daß er den der Meßkunst Unkundigen aus seiner Schuleverwies, indem er das, was Anaxagoras aus Erfah- rungsgegenständen und ihrer Zweckverbindung schlos, aus der reinen, dem menschlichen Geiste innerlich bey- wohnenden Anschauung abzuleiten dachte. Denn in der Rothwendigkeit dessen was zweckmäßig ist und was so beschaffen ist, als ob es für unsern Gebrauch absichtlich so eingerichtet wäre, was gleichwohl dem We- sen der Dinge ursprünglich zuzukommen scheint, ohne auf unsern Gebrauch Rücksicht zu nehmen, liegt eben der Grund der großen Bewunderung der Natur, nicht sowohl außer uns, als in unserer eigenen Vernunft, wobey es wohl verzeihlich ist, daß diese Bewunderung durch Misverstand nach und nach bis zur Schwärmerey steigen mochte. Diese intellectuelle Zweckmäßigkeit aber, ob sie gleich II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. daß er den der Meßkunſt Unkundigen aus ſeiner Schuleverwies, indem er das, was Anaxagoras aus Erfah- rungsgegenſtaͤnden und ihrer Zweckverbindung ſchlos, aus der reinen, dem menſchlichen Geiſte innerlich bey- wohnenden Anſchauung abzuleiten dachte. Denn in der Rothwendigkeit deſſen was zweckmaͤßig iſt und was ſo beſchaffen iſt, als ob es fuͤr unſern Gebrauch abſichtlich ſo eingerichtet waͤre, was gleichwohl dem We- ſen der Dinge urſpruͤnglich zuzukommen ſcheint, ohne auf unſern Gebrauch Ruͤckſicht zu nehmen, liegt eben der Grund der großen Bewunderung der Natur, nicht ſowohl außer uns, als in unſerer eigenen Vernunft, wobey es wohl verzeihlich iſt, daß dieſe Bewunderung durch Misverſtand nach und nach bis zur Schwaͤrmerey ſteigen mochte. Dieſe intellectuelle Zweckmaͤßigkeit aber, ob ſie gleich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0334" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> daß er den der Meßkunſt Unkundigen aus ſeiner Schule<lb/> verwies, indem er das, was Anaxagoras aus Erfah-<lb/> rungsgegenſtaͤnden und ihrer Zweckverbindung ſchlos,<lb/> aus der reinen, dem menſchlichen Geiſte innerlich bey-<lb/> wohnenden Anſchauung abzuleiten dachte. Denn<lb/> in der Rothwendigkeit deſſen was zweckmaͤßig iſt und<lb/> was ſo beſchaffen iſt, als ob es fuͤr unſern Gebrauch<lb/> abſichtlich ſo eingerichtet waͤre, was gleichwohl dem We-<lb/> ſen der Dinge urſpruͤnglich zuzukommen ſcheint, ohne<lb/> auf unſern Gebrauch Ruͤckſicht zu nehmen, liegt eben<lb/> der Grund der großen Bewunderung der Natur, nicht<lb/> ſowohl außer uns, als in unſerer eigenen Vernunft,<lb/> wobey es wohl verzeihlich iſt, daß dieſe Bewunderung<lb/> durch Misverſtand nach und nach bis zur Schwaͤrmerey<lb/> ſteigen mochte.</p><lb/> <p>Dieſe intellectuelle Zweckmaͤßigkeit aber, ob ſie gleich<lb/> objectiv iſt (nicht wie die aͤſthetiſche ſubjectiv) laͤßt ſich<lb/> gleichwohl ihrer Moͤglichkeit nach als blos formale (nicht<lb/> reale) d. i. als Zweckmaͤßigkeit, ohne daß doch ein Zweck<lb/> ihr zum Grunde zu legen mithin Teleologie dazu noͤthig<lb/> waͤre, gar wohl, aber nur im Allgemeinen begreifen.<lb/> Die Cirkelfigur iſt eine Anſchauung, die durch den Ver-<lb/> ſtand nach einem Princip beſtimmt worden: die Einheit<lb/> dieſes Prineips, welches ich willkuͤhrlich annehme und<lb/> als Begrif zum Grunde lege, angewandt auf eine Form<lb/> der Anſchauung (den Raum), die gleichfalls blos als<lb/> Vorſtellung und zwar <hi rendition="#aq">a priori</hi> in mir angetroffen wird,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0334]
II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
daß er den der Meßkunſt Unkundigen aus ſeiner Schule
verwies, indem er das, was Anaxagoras aus Erfah-
rungsgegenſtaͤnden und ihrer Zweckverbindung ſchlos,
aus der reinen, dem menſchlichen Geiſte innerlich bey-
wohnenden Anſchauung abzuleiten dachte. Denn
in der Rothwendigkeit deſſen was zweckmaͤßig iſt und
was ſo beſchaffen iſt, als ob es fuͤr unſern Gebrauch
abſichtlich ſo eingerichtet waͤre, was gleichwohl dem We-
ſen der Dinge urſpruͤnglich zuzukommen ſcheint, ohne
auf unſern Gebrauch Ruͤckſicht zu nehmen, liegt eben
der Grund der großen Bewunderung der Natur, nicht
ſowohl außer uns, als in unſerer eigenen Vernunft,
wobey es wohl verzeihlich iſt, daß dieſe Bewunderung
durch Misverſtand nach und nach bis zur Schwaͤrmerey
ſteigen mochte.
Dieſe intellectuelle Zweckmaͤßigkeit aber, ob ſie gleich
objectiv iſt (nicht wie die aͤſthetiſche ſubjectiv) laͤßt ſich
gleichwohl ihrer Moͤglichkeit nach als blos formale (nicht
reale) d. i. als Zweckmaͤßigkeit, ohne daß doch ein Zweck
ihr zum Grunde zu legen mithin Teleologie dazu noͤthig
waͤre, gar wohl, aber nur im Allgemeinen begreifen.
Die Cirkelfigur iſt eine Anſchauung, die durch den Ver-
ſtand nach einem Princip beſtimmt worden: die Einheit
dieſes Prineips, welches ich willkuͤhrlich annehme und
als Begrif zum Grunde lege, angewandt auf eine Form
der Anſchauung (den Raum), die gleichfalls blos als
Vorſtellung und zwar a priori in mir angetroffen wird,
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