V. Das Princip der formalen Zweckmäßigkeit der Natur ist ein transscendentales Prin- cip der Urtheilskraft.
Ein transscendentales Princip ist dasjenige, durch welches die allgemeine Bedingung a priori vorgestellt wird, unter der allein Dinge Objecte unserer Erkennt- nis überhaupt werden können. Dagegen heißt ein Prin- cip metaphysisch, wenn es die Bedingung a priori vor- stellt, unter der allein Objecte deren Begrif empirisch ge- geben seyn muß, a priori weiter bestimmet werden kön- nen. So ist das Princip der Erkenntnis der Körper als Substanzen und als veränderlicher Substanzen trans- scendental, wenn dadurch gesagt wird, daß ihre Verän- derung eine Ursach haben müsse; es ist aber metaphysisch wenn dadurch gesagt wird ihre Veränderung müsse eine äußere Ursache haben, weil im ersteren Falle der Kör- per nur durch ontologische Prädicate (reine Verstandes- begriffe) z. B. als Substanz gedacht werden darf um den Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri- sche Begrif eines Körpers (als eines beweglichen Dinges im Raum) diesem Satze zum Grunde gelegt werden muß, alsdann aber, daß dem Körper das letztere Prädicat (der Bewegung nur durch äußere Ursache) zukomme, völlig a priori eingesehen werden kann. -- So ist wie ich so gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmäßigkeit der
Einleitung.
V. Das Princip der formalen Zweckmaͤßigkeit der Natur iſt ein transſcendentales Prin- cip der Urtheilskraft.
Ein transſcendentales Princip iſt dasjenige, durch welches die allgemeine Bedingung a priori vorgeſtellt wird, unter der allein Dinge Objecte unſerer Erkennt- nis uͤberhaupt werden koͤnnen. Dagegen heißt ein Prin- cip metaphyſiſch, wenn es die Bedingung a priori vor- ſtellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiriſch ge- geben ſeyn muß, a priori weiter beſtimmet werden koͤn- nen. So iſt das Princip der Erkenntnis der Koͤrper als Subſtanzen und als veraͤnderlicher Subſtanzen trans- ſcendental, wenn dadurch geſagt wird, daß ihre Veraͤn- derung eine Urſach haben muͤſſe; es iſt aber metaphyſiſch wenn dadurch geſagt wird ihre Veraͤnderung muͤſſe eine aͤußere Urſache haben, weil im erſteren Falle der Koͤr- per nur durch ontologiſche Praͤdicate (reine Verſtandes- begriffe) z. B. als Subſtanz gedacht werden darf um den Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri- ſche Begrif eines Koͤrpers (als eines beweglichen Dinges im Raum) dieſem Satze zum Grunde gelegt werden muß, alsdann aber, daß dem Koͤrper das letztere Praͤdicat (der Bewegung nur durch aͤußere Urſache) zukomme, voͤllig a priori eingeſehen werden kann. — So iſt wie ich ſo gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmaͤßigkeit der
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0033"n="XXVII"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">V.</hi><lb/>
Das Princip der formalen Zweckmaͤßigkeit<lb/>
der Natur iſt ein transſcendentales Prin-<lb/>
cip der Urtheilskraft.</hi></head><lb/><p>Ein transſcendentales Princip iſt dasjenige, durch<lb/>
welches die allgemeine Bedingung <hirendition="#aq">a priori</hi> vorgeſtellt<lb/>
wird, unter der allein Dinge Objecte unſerer Erkennt-<lb/>
nis uͤberhaupt werden koͤnnen. Dagegen heißt ein Prin-<lb/>
cip metaphyſiſch, wenn es die Bedingung <hirendition="#aq">a priori</hi> vor-<lb/>ſtellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiriſch ge-<lb/>
geben ſeyn muß, <hirendition="#aq">a priori</hi> weiter beſtimmet werden koͤn-<lb/>
nen. So iſt das Princip der Erkenntnis der Koͤrper als<lb/>
Subſtanzen und als veraͤnderlicher Subſtanzen trans-<lb/>ſcendental, wenn dadurch geſagt wird, daß ihre Veraͤn-<lb/>
derung eine Urſach haben muͤſſe; es iſt aber metaphyſiſch<lb/>
wenn dadurch geſagt wird ihre Veraͤnderung muͤſſe eine<lb/><hirendition="#fr">aͤußere</hi> Urſache haben, weil im erſteren Falle der Koͤr-<lb/>
per nur durch ontologiſche Praͤdicate (reine Verſtandes-<lb/>
begriffe) z. B. als Subſtanz gedacht werden darf um den<lb/>
Satz <hirendition="#aq">a priori</hi> zu erkennen, im zweyten aber der empiri-<lb/>ſche Begrif eines Koͤrpers (als eines beweglichen Dinges<lb/>
im Raum) dieſem Satze zum Grunde gelegt werden muß,<lb/>
alsdann aber, daß dem Koͤrper das letztere Praͤdicat (der<lb/>
Bewegung <choice><sic>nnr</sic><corr>nur</corr></choice> durch aͤußere Urſache) zukomme, voͤllig<lb/><hirendition="#aq">a priori</hi> eingeſehen werden kann. — So iſt wie ich ſo<lb/>
gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmaͤßigkeit der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[XXVII/0033]
Einleitung.
V.
Das Princip der formalen Zweckmaͤßigkeit
der Natur iſt ein transſcendentales Prin-
cip der Urtheilskraft.
Ein transſcendentales Princip iſt dasjenige, durch
welches die allgemeine Bedingung a priori vorgeſtellt
wird, unter der allein Dinge Objecte unſerer Erkennt-
nis uͤberhaupt werden koͤnnen. Dagegen heißt ein Prin-
cip metaphyſiſch, wenn es die Bedingung a priori vor-
ſtellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiriſch ge-
geben ſeyn muß, a priori weiter beſtimmet werden koͤn-
nen. So iſt das Princip der Erkenntnis der Koͤrper als
Subſtanzen und als veraͤnderlicher Subſtanzen trans-
ſcendental, wenn dadurch geſagt wird, daß ihre Veraͤn-
derung eine Urſach haben muͤſſe; es iſt aber metaphyſiſch
wenn dadurch geſagt wird ihre Veraͤnderung muͤſſe eine
aͤußere Urſache haben, weil im erſteren Falle der Koͤr-
per nur durch ontologiſche Praͤdicate (reine Verſtandes-
begriffe) z. B. als Subſtanz gedacht werden darf um den
Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri-
ſche Begrif eines Koͤrpers (als eines beweglichen Dinges
im Raum) dieſem Satze zum Grunde gelegt werden muß,
alsdann aber, daß dem Koͤrper das letztere Praͤdicat (der
Bewegung nur durch aͤußere Urſache) zukomme, voͤllig
a priori eingeſehen werden kann. — So iſt wie ich ſo
gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmaͤßigkeit der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/33>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.